Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Totenkult
Montag, 08.05.2023, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF
Thema diesmal: Der Tod und das Sammeln
“Also, das hätte ich mir auch nicht gedacht, dass ich jemals in so einer Deko stehen würde, aber unser Experte Christof Stein macht es möglich!”, so lautete Birgits Intro in meinen Sendungsbeitrag über das Thema Tod und Sammeln.
Das Thema umfasst geflügelte Wörter, wie „A schene Leich“, Schlagworte wie: Leichenschmaus, Requiem oder Totenmesse– von Gustav Mahler oder Mozart, die unbekannte Tote…aber ultimativ geht es natürlich um geliebte und vermisste Menschen, deren Huldigung und den Memorabilien für die Hinterbliebenen.
Durch Jahrhunderte hat sich bei uns etwas Einzigartiges entwickelt – morbid, schön und grausig zugleich: Sammelstücke mit einer persönlichen Todesgeschichte faszinieren Sammler:innen auf der ganzen Welt und lassen Wunderkammern des Absurden entstehen.
Am Ende aller Tage wünschen sich die Wiener:innen eine schöne Leich’ zu sein, so wie es Karl VI, Vater von Maria Theresia, am Totenbett wollte. Mit wie viel Pomp wurde der Tod im Kaiserreich zelebriert. Dies kann man in der Kapuzinergruft erkunden.
Folgende Kuriositäten hatte ich mit
Der Totenschlüssel, um den Sarg oder ein Mausoleum zuzusperren, je nach Stand der Familie mit Edelsteinen besetzt oder ganz einfach, wie der bekannte 10er Schlüssel (mit dem man den Elektrokasten aufsperren kann). Der eine Schlüssel war Metall vergoldet und aus dem 19. Jahrhundert. Der zweite Schlüssel war aus dem 20. Jahrhundert, der Griff stellt ein christliches Kreuz dar. Die Kassetten, in denen die Erinnerungsschlüssel aufbewahrt werden, können auch aufwendig gestaltet sein. Schlagwort hier: Erinnerungskultur.
Das nächste Objekt mit Geschichte war versehen mit der Aufschrift “1625”, wobei es unwahrscheinlich ist, dass es sich um die Jahreszahl handelt, eher um ein Geburts- oder Sterbedatum.
Der kleine Totenkopf, im Sarg liegend, wurde aus einem Knochen des Verstorbenen geschnitzt.
Den Abdruck der Totenhand (Mitte des 19. Jahrhunderts) fand Birgit dann doch etwas gruselig. Ist natürlich nachvollziehbar, allerdings sollte man bedenken, dass dies eventuell ein Mensch war, der sich durch Güte ausgezeichnet hat. Oder die Person war ein Arzt. Oder hat auf sonstige Art und Weise die schützende Hand über die Familie gehalten. Durch diesen Abguss konnte man diese besondere Qualität der verstorbenen Person verewigen.
Die unbekannte Tote in Keramik aus den 1950er Jahren stammte aus meiner eigenen Sammlung. Diese erinnert an eine Totenmaske. Wir kennen alle die Totenmasken (aus verschiedenen Materialien abgegossen) von berühmten Schriftstellern und Musikern, wie Goethe, Bruckner, Mahler, und vielen mehr.
Die ewige Ruhestätte
Wie sich der Totenkult und die Bestattungszeremonien in den vergangenen Jahrhunderten verändert haben, wird pietätvoll im Bestattungsmuseum direkt am Wiener Zentralfriedhof dargestellt. Nicht fehlen darf dabei natürlich eine ganz besondere Wiener Kuriosität: der wieder verwendbare josephinische Gemeindesarg, besser bekannt als Klappsarg
Und wie das Merchandising des Bestattungsmuseum in Wien beweist, darf über den Tod in Wien auch schon mal herzlich gelacht werden. T-Shirts mit Sprüchen wie “Friedhöfe Wien – Hier liegen Sie richtig” machen das Unabwendbare etwas erträglicher.
Der größte Friedhof Österreichs ist der Wiener Zentralfriedhof. Er ist nicht nur der letzte Ruheplatz für viele Menschen, sondern ist mit seinen Jugendstilbauten ein echtes Augenschmankerl.
Flächenmäßig wurde der Wiener Zentralfriedhof zwar schon vom Hamburger Friedhof als größter Friedhof Europas abgelöst, doch die meisten “Einwohner:innen” hat nach wie vor der Zentralfriedhof. In etwa 3 Millionen Menschen.
Aber was hatte ich noch mit in der Sendung?
Vielleicht ein wenig traurig, war ein Zinn-Totenkopf, aus 1830/40 stammend, der Körper eingewickelt in medizinischem Verbandsmull, eingewebt ein Erinnerungsstück des verstorbenen Kindes – dieses makaber anmutende Objekt fungierte als tröstender Gegenstand, den die Eltern immer bei sich trugen.
Ein Amulett, ein Portrait aus der Biedermeierzeit – auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Echthaar der verstorbenen Person, als Zopf geflochten.
Die Wertigkeit der kuriosen Dinge
Je nach Seltenheit und Kuriosität ergeben sich bis zu vier-, fünfstellige Beträge.
Der künstlerische Beitrag war ein typisch österreichisches Bild, eine Bergszene, gemalt in Wien 1913 von Josef Albrecht, eine Auftragsarbeit. Der Sohn wird als Bergsteiger in den letzten Sekunden seines Lebens abgebildet, der Sturz klar zu sehen, darunter ein Portrait des Verstorbenen, links daneben die Berglandschaft.
Mystisch und unbeantwortet – warum befindet sich auf der linken Bildseite ein Riss…?
Der Tod und die Musik
Schon Georg Kreisler hat es besungen. “Der Tod, das muss ein Wiener sein!” Denn die Wiener haben ein ganz besonderes Verhältnis zum Tod – eine ganz besondere Form der morbiden Wienliebe.
Roland Neuwirths „Ein echtes Wienerlied“ – ein Lied, das zur Gänze aus Bezeichnungen für das Sterben besteht. Die Wiener:innen finden viele Worte zum Tod. Denn der Tod ist ein wichtiger Teil ihres Lebens. Generell wird Österreichs Hauptstadt traditionell ein Hang zum Morbiden unterstellt.
Gustostückerl aus Roland Neuwirth, Ein echtes Wienerlied:
Er hat an Abgang g´macht.
Er hat die Patsch´n g´streckt.
Er hat a Bank´l g´rissn.
Er hat se niedag´legt.
Er hat se d´ Erdäpfel von unt´ ang´schaut.
Er hat se ins Holzpyjama g´haut.“
Zum Thema Wienerlieder über den Tod, der neue Klenk/Reiter Podcast ist ein Hit!
Weitere musikalische Zuckerl:
Es lebe der Zentralfriedhof! Wolfgang Ambros
Komm schwarzer Vogel, Ludwig Hirsch
Vielen Dank an den Leihgeber Niki Koeler!