Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Werkstätte Hagenauer

MONTAG, 14.12.2020, ab 17:30 Uhr

Studio 2//ORF

Thema diesmal: Werkstätte Hagenauer

Das Tor der Welt, welches uns derzeit nicht allzu offen steht, stand für die Werkstätten Hagenauer schon sehr früh auf international. Durch Weltausstellung, oftmaligen Auszeichnungen und innovative Entwürfe fanden die Tiere, Zierde-, Gebrauchsobjekte und Möbel bald den Weg nach Übersee.Ob der Skandal um Josephine Baker, den die Werkstatt mit ihrer legendären Tänzerin medienwirksam zu nutzen wußten oder die Weitsicht das Mickey mouse oder Felix unsere Gesellschaft beeinflussen werden… die Wiener Werkstätte der Brüder Franz und Karl ahnte es schon in den 1920iger, 1930iger Jahren mit ihren Darstellungen.Wer hat den Bundesadler im Wiener Parlament entworfen und hergestellt? Richtig, die Werkstatt aus der Zieglergasse später Siebensterngasse im 7. Bezirk um anschließend in der Bernhardgasse die große Werkstatt bis zum Schluss – 1987- zu betreiben. Ich brachte eine Josephine Baker Bronze mit – aber auch Tennistrophäen für Spiele in den USA um 1930, eine legendäre Kühlerfigur und weiter wunderbare Entwürfe aus der Sammlung der Familie. Nähere Informationen: http://www.karlhagenauer.at/index.php/de/geschichte

1873 bei der Weltausstellung in Wien, als die Rotunde gebaut wurde, da wurde die Wiener Bronze zum ersten Mal vorgestellt und wurde gleich als begehrtes Souvenir zum Welterfolg. 202 Produktionsstätten für Bronzen gab es um 1900. Unglaublich! Felix war die älteste Figur, die ich mitgebracht hatte. Werkstätte Hagenauer waren schon sehr modern eingestellt und haben immer mit dem US-amerikanischen Markt kokettiert. Schon in den 1920er Jahren haben sie Mickey Mouse Bronzen produziert, da war die Kultfigur noch unbekannt in unseren Gefilden. Josephine Baker, Weltstar und großer Skandal im katholischen Wien – eine wunderschöne und wertvolle Bronze…

Ein Exkurs:

Ich kann mich einfach nur glücklich schätzen, so wunderbare, smarte Menschen meine Freunde nennen zu dürfen, die sich mit meinen Sendungsbeiträgen so detailliert auseinander setzen.Vorhang auf und Bühne frei für Walter Kabelka:

Hagenauers sound of musicChristof Stein zeigte im Studio 2 des ORF am 14.12.2020 Figuren aus der Werkstatt Hagenauer. Darunter befand sich eine zierliche weibliche Gestalt, in deren Sockel eine Widmung eingraviert ist.Das Textfragment lautet „All alone, all at sea, why does nobody care for me” und stammt aus dem Song “A ship without a sail”, der unter anderem durch Ella Fitzgerald bekannt wurde. Dieser Song wiederum ist aus dem Musical „Heads up“, komponiert von Richard Rodgers, der bekannt ist für „Oklahoma, „The King and I „ und nicht zuletzt „The Sound of Music“, das ein bestimmtes Bild von Österreich in den USA geprägt hat.Aufgeführt wurde dieses Musical am Broadway in der Saison 1929/1930. Es kam zu 144 Aufführungen und einer Verfilmung 1930.Die Geschichte geht aber noch weiter. Eine weitere Gravur auf der Hagenauerfigur gibt den Anlass an: „Xmas 1929“. Das heißt, dass während der Aufführungsserie die Statue gewidmet wurde. Und zwar „To Dick from Gertie“. Dies legt die Vermutung nahe, dass als Empfänger Richard „Dick“ Rodgers gemeint sein könnte. Wer aber könnte die Schenkerin gewesen sein, die mit der Inschrift auf eine Sehnsucht nach Liebe verweist ?Es handelt sich vermutlich um niemand anderen als die damals bekannte Schauspielerin Gertrude Lawrence, die Ende der Zwanzigerjahre schon am Broadway war. Sie dürfte schon damals Richard Rodgers gekannt haben, da als gesichert gilt, dass sie später Rodgers und Hammerstein zu „The King and I“ inspiriert hat. Die Brüder Gershwin schrieben sogar das Musical „Oh, Kay“ für Lawrence, das erfolgreich aufgeführt wurde.War sie in Richard Rodgers verliebt ? Oder handelte es sich um eine Freundschaft im Künstlermileu am Broadway Ende der Zwanziger Jahre ? Gertrude Lawrence hatte gerade eine gescheiterte Ehe und eine weitere beendete Beziehung hinter sich. Richard Rodgers heiratete schon 1930 seine langjährige Ehefrau Dorothy. Später sollte Gertrude Lawrence den Theaterdirektor Richard Aldrich heiraten, mit dem sie bis zu ihrem Tod zusammen war. Davor wird sie aber auch Beziehungen zu Daphne du Maurier, der weltbekannten Romanautorin und anderen haben.Wenn sie es denn war, die diese Statuette in Auftrag gegeben hat und diese dann „Dick“ Rodgers geschenkt hat, ist das ein Zeugnis einer frühen Bekanntschaft der beiden, wobei es unerheblich ist, wie nahe sie sich gekommen sind. Allemal drückt diese Figur heute noch aus, dass eine Frau sich mit einem Mann über eine Sehnsucht austauscht und wohl über den Wunsch, dass jemand an sie denkt und oder sie im Herzen hat. Wer mit der Textzeile gemeint war, oder ob es einfach eine freundschaftliche Geste war, bleibt uns verborgen.In der grazilen Figur der Dame aus der Werkstatt Hagenauer wird mit der Widmung mittels einer sehnsüchtigen Textzeile aus einem Lied auch ein bewegender „sound of music“ wieder hörbar. (Text von Walter Kabelka, 16.12.2020)