Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Bierkrüge

Montag, 16.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Der figurale Bierkrug

 

Eine ganz spannende Sammlung an figuralen Bierkrügen hatte ich diesmal in der Sendung mit. Ein Bierkrug in Rettichform – eine skurrile Art der Gestaltung, meinte Martin. Der Rettich schaut grantig, weil der Wirt sagt “es ist jetzt gleich die letzte Runde!”, es gibt auch eine grinsende Version, für die Zeit davor.

1492 ist Amerika entdeckt worden, aber noch viel wichtiger: in dem Jahr wurde die Stiegl Brauerei gegründet. Als waschechter Salzburger wusste das Martin natürlich.

Es ist verbrieft, dass es 3000 vor Christus Bier gab. Man weiß ja auch aus Asterix, dass die lauwarme Cerveza aus Hörnern getrunken wurde. Das gestalterische Moment begann aber dann erst im 16. Jahrhundert und Renaissance Künstler haben aus den Bierkrügen wunderbare Kunstwerke gemacht.

Von damaligen Fürsten und Konsorten wurde beschlossen, dass jeder Krug einen Deckel braucht, um die Pestviren, Mücken, Wespen, Bienen und sonstige Insekten von dem flüssigen Gold fernzuhalten.

Das älteste Modell, das ich mitgebracht hatte, stammte von einem Schützenverein – als Motiv eine neckisch dreinschauende Dame, die eine Zielscheibe am Haupt als Deckel trug.

Jeder Krug hat eine Bedeutung. Servicekraft waren damals immer die Frauen, nach dem Wettbewerb gab es ein gutes Bier aus dem Krug – eben in Gestalt einer Servierdame. Man entdeckt wenn man genau hinsieht versteckte Geschichten – oder den verdeckten Trinker – auf einem Krug am unteren Rand zog sich versteckt rundherum ein Schriftzug “Wenn man beim Hofbräuhaus bleibt und nicht mischt, hat man am nächsten Tag keine Kater”, ergo der Kater als figurale symbolische Repräsentation. 

Tierisch ging es generell zu: Kater, Frosch (aus einer Gilde der Zoologen eventuell), Affe als Figuren auf den Krügen – frei nach Tante Jolesch “alles was schöner ist als ein Aff’, ist ein Luxus” .

Leidenschaftlich fanatische Sammler:innen sind vor allem die Amerikaner. Historisch gesehen sind sie nicht berühmt für ihr gutes Bier (heutzutage gibt es aber eine spannende Bierkultur und viele großartige Microbreweries), sondern eher der süddeutsche Raum, vielleicht haben sie genau deshalb ein Faible für diese Objekte mit Geschichte entwickelt. 

Wertigkeiten dieser Bierkrugsammlung lagen wir beim billigsten Stück bei 100 Euro bis zum teuersten Krug von einem Wert von einem runden Tausender.

Nürnberger Trichter – die Weisheit wird sozusagen in den Kopf hineingetrichtert – die philosophische Weisheit nimmt exponentiell mit steigendem Bierkonsum zu. 

Beendet wurde die figuralen Bierkrug-Ästhetik-Periode Ende der 1920er Jahre, da es dann mehr um Schlichtheit und weniger um die Gestaltung ging.

Am Ende musste ich natürlich noch anmerken, dass “Bierkrug”, in der alten Übersetzung, die auch heute noch zum Einsatz kommt, im US-amerikanischen Raum mit “stein” übersetzt wird. Nomen est omen!

 

Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seif!