Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Werkzeuge

 

Montag, 18.07.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Werkzeuge mit Geschichte

 

Ganz á la Method Acting bin ich in der heutigen Sendung in meiner Rolle als Handwerker ganz aufgegangen. Mit Birgit Fenderl habe ich mich diesmal über historisches Werkzeug unterhalten, weniger mit Fokus auf die Wertigkeiten, sondern mehr auf der formschönen Ästhetik dieser kleinen Wunderwerkzeuge mit Geschichte(n). 

Das erste großartige Stück war für einen Sattler, das man sich auf die Schulter anlegt, um das Leder zu bearbeiten, um es an den Kanten scharf zu machen, das nennt man das “Endeln”. Hier gehen wir vom Tapezieren eines Möbels aus, aber auch vom Sattel eines Pferdes. Dieses Objekt war aus der Zeit um 1880. Ein wunderbares Dekorationsstück mit voll gegebener Funktion, das man wie das moderne und unschöne Werkzeug nicht wegräumen muss. 

Man hat früher nicht so viele Werkzeuge gehabt, sondern wenige, die aber mehrfache Funktionen hatten. Schon alleine die Ausführung dieser Stücke, wie eines simplen Schraubenziehers, mit einem durchgehenden Stagl, wo man am hinteren Ende mit dem Hammer (eingefasst in Leder) ohne weiteres fest draufschlagen kann ohne das Werkzeug an sich kaputt zu machen. Heutzutage mit den Kunststoffgriffen ist dies jedoch nicht zu gewährleisten. 

Viele denken, dass das Handwerk nur rein den Männern vorbehalten ist. Meine Partnerin würde dem nun vehement widersprechen. Sie geht lieber in den Baumarkt als auf den Kohlmarkt. Sie bevorzugt es selbst Hand anzulegen, als an einen Mann weiterzugeben.  Aber wie war das nun mit dem Frauenanteil im Handwerk?

Nachgewiesenermaßen gab es im Spätmittelalter Frauenzünfte beziehungsweise auch gemischte Zünfte. Leider hat man heute noch oft die Assoziation, dass das Handwerk eine reine Männerdomäne sei, dies ist jedoch nicht einmal annähernd ein Abbild der Wirklichkeit. Zwar gab es leider über Jahrhunderte hinweg eine gewisse Stagnation in den Gleichberechtigungsbestrebungen aber durch verschiedene Faktoren, wie beispielsweise Fachkräftemangel, wird der weibliche Anteil im Bereich Handwerk immer mehr steigen. 

Eine Quetschmaschine hatte ich auch mitgebracht, die wie eine Art Hefter funktioniert. Zum Beispiel kann man damit zwei organische Stoffe, die getrennt sind, “zusammenquetschen”, ohne kleben zu müssen. 

Die Schere war handgeschmiedet, kann immer wieder auseinander genommen und geschärft werden,  ein absoluter Garant für Nachhaltigkeit, oder auch “modernes Recycling” wie mein Vater gesagt hätte.

Nichts ist eleganter als dieses Objekt, das englische Maßband aus dem 19. Jahrhundert von einer Wiener Firma (auf einer Seite das englische Maß auf der anderen Seite das europäische Maß) auf einem schönen alten Schreibtisch als Briefbeschwerer liegen zu haben. In einem guten Zustand,140 Jahre alt, geendelt, bringt das sicher auf einem Flohmarkt in Brighton über 100 Pfund ein. 

Wer wird schwach, wenn ich “Metabo” erwähne – ich hatte diese großartige Messerschleifmaschine dieser begehrten Marke auch in der Sendung mit, ein wahres Sammlerobjekt. Der “Heimschleifer” in dieser Variante, früher gab es ja auch den Messerschleifer, der zu einem Nachhause kam. 

Mit war auch das Zunftzeichen für die Tischler:innen, eine Hobel, in dem Fall zum Kantenhobeln, nicht nur Flächen, speziell um Sesselleisten zu machen. 

Dazu passend zum Anhören:

Paul Hörbiger – Das Hobellied – 1936

“Also, da legen wir den Hobel an und sagen – aber nur für heute – Adieu!” so beendete Birgit meinen Sendungsbeitrag. Auf bald!

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Laissez-faire am Pool

 

Montag, 11.07.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Poolmöbel mit Geschichte

Die nächste Hitzewelle steht schon in den Startlöchern und bringt uns wieder heißes Schwimmwetter – was darf dabei auf keinen Fall fehlen? Natürlich die richtige Ausstattung rund um den Pool! Und was gibt es Besseres als Möbel mit Geschichte am kühlen Nass…

“Ein Schaf, zwei Schafe, man könnte schon so ein bisschen dahinbüseln, wenn die Sommersonne untergeht in diesen großartigen Möbelstücken, die uns Experte Christof Stein mitgebracht hat” meinte Norbert Oberhauser als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag (im vorhergehenden Beitrag ging es um Merino Schafe).

Er saß wahrlich auf einem der raren Designstücke aus Ostdeutschland, aus der DDR, um 1965, von Peter Ghyscy. Man kann diese Stücke auch wunderbar zuklappen, damit sie im Freien stehen bleiben können. Sie verfügen sogar über ein Reservoir das Wasser sammelt und ein kleines Loch, wo es dann wieder abgegeben wird. Ein wirklich cleveres Design!

Geschmuggelt wurden sie zur Zeit der Ost West Trennung, denn jeder im Westen wollte dieses coole Design Pool-Ei haben. Damals umgerechnet von DM würden sie heute auf eine Wertigkeit von 3000 bis 4000 Euro kommen, allerdings wurden sie dann so populär, dass sie neuaufgelegt wurden und die Preise für Originale heute bei ungefähr 1200 Euro liegen.

Diese Möbel mit Geschichte sind einfach wunderbar bunte Accessoires, die rund um Pool oder Badeteich stehen können.

Doch wie lange gibt es nun schon Pools?

In der Stadt Mohenjo-Daro (im heutigen Pakistan) wurden bei Ausgrabungen in den 1920er Jahren Schwimmbecken gefunden und an deren Maßen erkannte man, dass diese nicht der Körperreinigung, sondern entweder rituellen Zwecken oder dem Badevergnügen dienten. Auch im alten Ägypten und im antiken Rom gehörte Schwimmen zum guten Ton. Bei den Griechen galt sogar als ungebildet, wer weder lesen noch schwimmen konnte. Dennoch spielten Schwimmbecken später, vor allem während des „dunklen“ Mittelalters, keine Rolle mehr: Das Badevergnügen galt als verwerflich, denn Badehäuser galten als Plätze für Orgien oder sexuelle Dienste. Öffentliche Badeanstalten wurden deshalb ausschließlich für die Körperpflege errichtet.

Bei uns kam dann die Poolkultur während dem Wirtschaftswunder in den 1950/60er Jahren so richtig ins Laufen, da gab es dann private Pools, die liebevoll ausgestattet wurden.

Das nächste Poolmöbelstück war dann ein Liegestuhl im Rimini Riviera Style, den man um ein paar Lire in Italien am Strand ausborgen konnte. Schade, heute ist alles nur noch aus Kunststoff gemacht, damals war es ein Holzsessel mit Segeltuchstoff. Das war noch Urlaub, wo das Sonnenöl zum olfaktorischen Erlebnis beitrug.

Die Holzliege, die ich mitgenommen hatte, war aus Hartholz nicht mehr Teak, weil es durch das Tropenholz Schutzabkommen nahezu keines mehr gibt, es ist aber auf Teak gebeizt und kann ewig draußen stehen, weil wetterresistent.

Ich saß Norbert gegenüber auf einem Stapelsessel aus den 2000er Jahren – kein besonderes Designerstück, aber ein robustes Funktionsmöbel, das es in verschiedenen Farben gibt.

Das skulpturale, einem Kunstwerk anmutende Sitzmöbel neben mir fand Norbert nicht sehr ansprechend in Hinsicht auf Bequemlichkeit. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es viele neue Materialien, wie beispielsweise Plexiglas oder eben in diesem Fall Eternit (woraus man eben auch Pools macht/e). Das Design stammt von Willie Guhl aus den 1950er Jahren und gehört wie die Pastillen zu den 1000 bedeutendsten Sesseln der Designgeschichte und kann im Vitra Museum in Weil am Rhein bestaunt werden. Im Original bei Auktion kommen diese Stücke auf 4000 Euro, aber nur wenn aus den 1950ern stammt.  In Neuauflage kosten diese “Kunstobjekte” nur noch ein paar hundert Euro.

Dann hat mich Norbert lachend gefragt, ob ich den Spaghetti Liegestuhl seiner Tante aus dem Garten gestohlen hätte, den er hätte viele Fotos aus der Kindheit auf diesen typisch italienischen Gartenstühlen und Liegen (siehe dazu meinen Beitrag über Gartenstühle)

In so einem Möbel mit Geschichte kann man wunderbar Zeitung lassen und sich zurücklehnen – dieses besondere Stück war sogar mit kleinem Stoßdämpfern aus Gartenschlauchteilen bestückt. Unzählige Dinge gibt es, die mit Pool und Schwimmen zu tun haben. Schwimmreifen der berühmten, leider gesunkenen Andrea Doria bringen einige tausend Euro bei Memorial Auctions.

Alles was ich mitgebracht habe sieht man teilweise im Museum aber natürlich noch viel wichtiger ist, dass es benützbare Funktionsmöbel sind – um den Sommer zu einem absoluten Genuss zu machen.

Beendet haben wir den Sendungsbeitrag mit “Jetzt gehen wir schwimmen!”, sehnsüchtig auf den Badeteich schauend. (Leider haben die Temperaturen nicht wirklich mitgespielt und waren eher frühherbstlich).

Und zum Schluss noch ein paar stimmige Videos zum Poolthema:

Der Klassiker:

La Piscine mit Alain Delon und Romy Schneider

Und zum Finale etwas zum Lachen:

Der Partyschreck mit Peter Sellers

 

 

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Kinosessel

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Kinosessel

Montag, 20.06.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Historische Kino- und Theatersessel

Heute war es ganz einfach “chillig” im Studio2, denn dank den sommerlichen Temperaturen habe ich à la Roger Rabbit auf der Gartenterrasse auf der 3er Bank “geknotzt” und habe Martin über Möbeln mit besonderer Geschichte erzählt. Das besprochene Möbelstück, auf dem ich gesessen bin, stammte aus einem ländlichen Kino aus der Zeit als dieses Gebiet amerikanischer Sektor en war, nach dem Zweiten Weltkrieg. Die, in dem ländlichen Raum stationierten, Amerikaner haben sich damals ein amerikanisches Kino eingerichtet und nach dem Abzug 1955 dann alles dagelassen.

Martin saß auf einer Thonet Zweierbank aus circa 1900, das älteste Modell, das ich mithatte – diese war ähnlich der Musikvereinbestuhlung, aus Bugholz, typisch Thonet mit Wiener Flechtung. Bei der Wertigkeit sind diese Möbel unter 700 Euro nicht zu haben.

Damals war Thonet so etwas wie der Weltmarktführer am Theater- und Kinosesselmarkt. Diese Art von Möbel wurde zum „Fabriksrenner“ der Firma Thonet, um die damaligen 400 Kinosäle in den Kronländern ausreichend zu bespielen. Davon waren etwa die Hälfte Wanderkinos, und von den 200 festen Kinos befanden sich mehr als die Hälfte in Wien.

Martin warf ein, dass man die typische Wiener Flechtung ja auch von den Kaffeehausstühlen kennt. Was vielleicht wenige wissen – bevor es die platzsparenden klappbaren Bänke und Sessel gab, wurden 14er Thonet Sessel aufgestellt, und zwar in den Vorläufern der Kinos, den Schaubuden auf Jahrmärkten, den so genannte Panoptiken (Präsentation optischer Täuschungen, dreidimensionale Fotos durch Stereoskope). Thomas Alva Edison und William Kennedy Laurie Dickson entwickelten dann das Kinetoskop (Schaukasten – 1 Person konnte kurzen Film betrachten).

Später wurde dann umgedacht und das Klappsesseldesign setzte sich durch, um so viele Besucher:innen wie möglich unterbringen zu können.

Martin hat dann auf die Zweier-, Dreierbestuhlung hingewiesen und mich gefragt, wieso denn das so wäre. Nun, es waren ja eigentlich lange Reihen, aber um es praktikabler zu machen, teilte man die langen Reihen nach zwei oder drei Sitzflächen mit dem Verlust eines Sitzes, gewann aber dadurch immer Außensteher. Paul Kozak, ein Freund und Kollege der ersten Stunde war einer der Ersten, der in den 1990er Jahren Kinosesseln zu Wohnmöbeln umfunktioniert hat und sie somit “salonfähig” gemacht wurden. Er war auch derjenige, der mich auf das Schäfer Kino aufmerksam gemacht hat. Dieses war drauf und dran zu schließen und somit war die Bestuhlung zu haben. So eine Zweier- oder Dreierbank ist natürlich ein perfektes und praktisches Möbelstück für den Vorraum um bequem Schuhe an- und ausziehen zu können.

Mehr zu Geschichte könnt ihr hier nachlesen.

Rechtzeitig zum Sommerkinostart mit seinen wunderbaren Freiluftbühnen, fand ich es spannend einen Abriss zur Geschichte der bewegten Bilder und dessen Sitzmobiliar, welches mittlerweile fester Bestandteil der Einrichtungskultur ist, darzulegen.

Martin meinte dann die Ronacher Theatersessel würde ihn an seinen Zahnarzt an den Warteraum erinnern. Als Kollektiv lichterloh waren wir damals sehr stark spezialisiert auf Kinosesseln und haben diese über den Flohmarkt verkauft. Am Naschmarkt Flohmarkt hat mich dann jemand angesprochen, ob ich daran interessiert wäre, die gesamte Ronacher Bestuhlung zu kaufen. Unfassbare 1800 Sitzplätze in langen Reihen standen aufgebaut zu einer Pyramide in einer Halle. Der Antikkeller, Bric a Brac und wir als lichterloh gemeinsam mit der Glasfabrik (welche ein integraler Partner in Hinblick auch auf die Lagerung war) haben uns dann an dieses Projekt herangewagt. Ein gemeinsames Auslagensystem war elementar. Jeder präsentierte die neu erstandenen Ronacher Sesseln im Schaufenster oder in den Auslagen seines Geschäftslokals – die Breitenwirkung war somit enorm.  Die Echtheitszertifikate wurden uns von der damaligen Geschäftsleitung, dem Kommerzialrat Franz Häusler und dem Intendanten der Vereinigten Bühnen Wiens Rudi Klausnitzer ausgestellt.

Eine deutsche Illustrierte ist dann auf uns aufmerksam geworden so á la “die Österreicher haben noch so eine alte herrliche Theater- und Kinobestuhlung” und das mitten im aufkommenden Vintage Trend was unser Projekt weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und begehrt gemacht hat. Nicht nur Mozartkugeln oder Sachertorte konnte man nun bestellen, sondern auch Theatersessel mit Wiener Provenienz. Um die 500-700 Euro sind die Einzelsitze heute wert.

 

Meine mitgebrachte Kino- und Theaterbestuhlung aus Institutionen wie dem Ronacher, dem Haus der Industrie, dem ehemaligen Schäfer Kino sind gerade für Einrichtungsstarter eine spannende Geschichte und gibt ihnen die Möglichkeit diesen Möbeln mit Geschichte ein zweites Leben einzuhauchen.

Definitiv kann man so dem Wohnbereich mehr Individualität verleihen! Vielen Dank an dieser Stelle an Paul!

 

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Zeitungsständer

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Zeitungsständer

Montag, 27.06.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Historische Zeitungsständer und Zeitungshalter

 

Historische Wiener Zeitungsständer und Zeitungshalter erinnern an eine fast vergessene Zeit und an eine handwerkliche Tradition…

In den Filmen aus den 1950er Jahren gab es die legendären Zeitungsjungen, die “Extrablatt” gerufen haben, man denke auch an den wunderbaren gleichnamigen Film von Billy Wilder mit Walter Matthau und Jack Lemmon. Zeitungsverkäufer sieht man nur noch selten auf den Wiener Straßen, heute “wischen” wir eher als zu “blättern”. Leider müsste man fast sagen, meinte dazu Birgit Fenderl. In der Sendung hatten wir eine typische Kaffeehaus Situation nachgeahmt und uns der absoluten Entschleunigung, passend zur Hitzewelle und der Urlaubszeit, hingegeben.

 

In der Sendung hatte ich 150 Jahre Zeitungsständergeschichte mit. Der Zeitungsständer – damals ein neues Möbelstück, das dann in alle Haushalte Einzug fand. Das älteste Stück aus einer großbürgerlichen Wohnung, Historismuszeit um circa 1870, wunderschön gedrechselt, mit Messing Rädchen stand wahrscheinlich neben einem Klavier um die aktuellen Strauß Noten hinein legen zu können – oder die “Die Neue Freie Presse” oder “Die Wiener Zeitung”, die ja zu den ältesten Zeitungen weltweit gehört. In der Historismuszeit war das Bildungsbürgertum das Hauptklientel für dieses neue Möbelstück. In heutigen Zeiten wird dies natürlich auch gerne gesammelt. Dieses besondere Stück liegt bei einer Wertigkeit, in dem Zustand, bei circa 400 Euro. Die Bugholzversion von Thonet (1905) war auch so ein absoluter Designklassiker. Ab der Jahrhundertwende kam dieser dann nahezu in jedem Haushalt vor, da er leistbar war. Ein Stück Design eben nicht nur im Kaffeehaus. Dieser spezifische Zeitungsständer, den ich mit in der Sendung hatte, ist sehr selten und hat somit eine Wertigkeit von circa 1200 Euro. Neben mir stand dann auch ein Zeitungsständer, entworfen von Koloman Moser, hergestellt durch die Gebrüder Kohn, für die fast alle großen Secession Entwerfer designt haben (außer Otto Wagner, der für Thonet entworfen hat)  – bei diesem lagen wir gleich mal bei einer Wertigkeit von 2000 Euro. Passend zum Thema hat es so schön geraschelt, weil der Wind geblasen hat. Sammlerobjekte sind natürlich auch die Zeitungen, Zeitschriften – jene mit historischen Ereignissen, wie der Mondlandung sind eher weniger wert, weil genau diese aufgehoben wurden und wie wir wissen, lässt die Seltenheit natürlich die Wertigkeit steigen. In den 1950/60er Jahren gab es Zeitungsständer mit der gleichen Funktion aber mit unterschiedlichen Wertigkeiten – da findet man einerseits am Flohmarkt einen Ständer um 10 Euro mit Draht und Kunstleder, der pfiffig aussieht, den man auch vielleicht beim Friseur findet. Die andere Variante mit schöner Lederschlaufe mit wunderschönem Schwung von Carl Auböck aus 1955 hat eine Wertigkeit von 500 Euro. 

Einer der sehr alt aussieht, aber es nicht ist und sich in einem Haushaltsetting mit Bleikristallgläsern und dem altvattrischen Rosendekor von Augarten finden kann ist aus den 1960er aus der Zeit “Kitsch as Kitsch can be” und ist sehr billig zu haben.

Mitgebracht hatte ich auch Varianten aus der Space Age Zeit aus Plexiglas und aus Kunststoff, italienisches Design, denn die Italiener waren da immer Vorreiter.  Die letzte Stilepoche war dann das Memphis Design aus den 1980er Jahren. 

 

Aber wenn man von Zeitungsständern spricht, darf man nicht auf Zeitungshalter vergessen. Als sich das Kaffeehaus zunehmend als Ort zum Verweilen und Diskussionsplattform über das Weltgeschehen etablierte, wurde natürlich auch das Zeitungslesen immer wichtiger.

 

Bernhard Paul und gerüchtehalber auch Purzl Klingohr gelten als Sammler von historischen Zeitungshaltern, vor allem wenn der Name des Kaffeehauses auch darauf steht

 

In einer digitalen Welt wie heute ist der Zeitungshalter ein Artefakt der schon erwähnten Entschleunigung. Man hält damit nicht nur die alltäglichen News, sondern, und das ist noch viel wichtiger,  ein Stück Wiener Lebenskultur in den Händen. Ursprünglich gab es auch in den großen Häusern die Funktion des Zeitungskellners, der ausschließlich den Stammtischgästen, den Schriftstellern oder der Prominenz die Tageszeitung persönlich reichte. 

 

Vielen Dank an den Leihgeber Manfred Bremm.

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Grammophone

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Grammophone

Montag, 13.06.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Portable Grammophone

 

Wenn man heutzutage unterwegs Musik hören will, ist das ganz einfach. Vor 100 Jahren war das noch ein Unterfangen, allerdings vielleicht ein wenig romantischer, meinte Birgit gleich zum Einstieg in meinen Sendungsbeitrag. Trotz Wolkenbruch haben wir die wunderbaren Töne portabler Grammophone vernehmen können – ach, diese kleinen Wunderwerke der Technik! Eines meiner absoluten Lieblingsthemen, weil es mit Musik zu tun hat – außerhalb von Hausmusik und dem eigenen Musizieren.

Emil Berliner, ein Deutscher, der nach Amerika ausgewandert ist, hat 1887 ein Patent angemeldet für die erste flachstehende Tonträgerscheibe, die auf Grammophonen abgespielt werden konnte. Er gilt als einer der Erfinder des Grammophons (von altgriechisch γράμμα grámma, deutsch ‚Geschriebenes’ und φωνή phōnḗ ‚Stimme, Laut, Ton’) , als auch der Schallplatte beziehungsweise hat er bestehende Ideen weiterentwickelt und zum Patent angemeldet.

Früher wurden Grammophone mit Handkurbeln betrieben, später gab es ein Federwerk, das man aufziehen musste und dann 2 Minuten in Kontinuität Musik spielen konnte, noch später kamen dann Elektromotoren (ab 1920).

Nur noch wenige Objekte mit Heißluftantrieb sind erhalten, aufgrund von Konstruktionsmängeln (fingen leicht Feuer) und dem hohen Preis. Der Vorteil war jedoch, dass viele Platten nacheinander gehört werden konnten – ohne Federwerk.

Das Grammophon gilt als Vorläufer des Plattenspielers (als reines Abspielgerät).

Die absolute Blütezeit erlebten die Grammophone Ende der 1920er Jahre – danach kamen elektrische Verstärker.

Ein kleiner Exkurs zur Schallaufnahme: Thomas Alva Edison hatte den Phonographen erfunden aber gleichzeitig auch der Franzose Charles Cros – beide verwendeten die Tiefenschrift, Berliner als Erster die Seitenschrift und meldete dafür ein Patent an. Eine flache wachsbeschichtete Zinkscheibe, für Aufnahme wurde über eine Schalldose über Spindel spiralförmig über die Schallplatte geführt, der Schall wurde durch den Trichter gebündelt und trieb die Membran an über ein Hebelsystem.

Ein kleiner Exkurs zur Schallwiedergabe: Nadel gleitet durch Rille auf der sich drehenden Schallplatte. Durch Wellenlinie bewegt sich die Nadel hin und her – Bewegung auf Membran übertragen – effektiv wird Schall aber nur abgegeben wenn es einen Trichter gibt, dadurch mehr Druck ergo mehr Lautstärke. Größe und Form des Trichters ausschlaggebend für Schallqualität. Keine Wiedergabe von tiefen oder hohen Frequenzen möglich. Oft gab es krächzende Geräusche, verzerrte Resonanzen.

Anlässlich des Jubiläums der Queen stellte ich DAS Picknickgerät, das portable Grammophon, das man unter dem Zylinder verstecken und dann vor der Angebeteten hervorzaubern konnte, vor. Ein komplett zusammengelegtes Gerät, das in einem Köfferchen versteckt war. Der Aufbau des Gerätes war schon so wunderbar, quasi das Vorspiel bis zum Genuß der Musik. Mikiphone Pocket Phonograph hieß dieses Gerät und war Mitte der 1920er ein absolutes MUST. Erinnert an die 1980/90er als man CD Player hatte und dann durch den Walkman mobil Musik hören konnte. Später wurde dieser dann ein Disc Man. Danach gab es die kurze Periode des Mini Disc Players

Das Gerät, funktionsfähig und top restauriert hat eine Wertigkeit von ungefähr 1000 Euro. Ein Schmankerl für Sammler:innen!

Die österreichische Gesellschaft für historische Tonträger verfügt über die folgende Website www.phonomuseum.at, diese sollte man sich unbedingt ansehen, wenn man sich für diese Thematik interessiert.

Vielen Dank an den Leihgeber Willi Schlager!

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Gartenmöbel

Montag, 30.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Gartensessel mit Geschichte

Sitzen im Grünen – im dicht bebauten Stadtgebiet hat natürlich, vor allem in Zeiten des Klimawandels und unerträglichen Hitzeperioden, besondere Bedeutung für Lebensqualität. Der Blick ins Grüne lässt die Menschen entspannen, die positive Wirkung von Pflanzen führen zu einer Steigerung des Wohlbefindens, zu einer Reduktion von Stress, Angst, Depression und zu einer Verbesserung der Konzentration, so wie der geistigen Aufnahmefähigkeit. Grüne Oasen im öffentlichen Freiraum waren und sind unverzichtbar. Die passenden Sitzmöbel sind ein absolutes MUSS für die Gewährleistung dieses urbanen Genusses. 

“Wir haben mit unserem Experten Christof Stein Platz genommen auf Sitzgelegenheiten des öffentlichen Raumes anno dazumal.” meinte Verena als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag über historische Gartensessel. “Die kannst uns öfter mitbringen!” hat dann Norbert schmunzelnd hinzugefügt. 

 

Trotz historischem Background oder besser gesagt: der metallenen Sitzfläche sitzt man doch sehr bequem auf einigen dieser Möbelstücke mit Geschichte. Der Eisenklappsessel aus circa 1800 war das älteste Modell und ausgestattet mit einem Eisendraht, der so gewebt war, dass, wenn man ihn zusammenklappt, sich der Draht so richtig schön ein- und entfädelt hatte. Dieses Fundstück lässt sich jetzt nicht direkt verorten, in Hinblick auf einen bestimmten Stadtgarten aber beispielsweise der Augarten, der älteste Garten, der öffentlich zugänglich gemacht wurde im Jahr 1775 (errichtet wurde er schon 1650), hätte auch so ein öffentliches Möbel beherbergt. (1766 wurde er Prater öffentlich zugänglich gemacht, allerdings galt dieser nicht als kleiner Stadtgarten oder Stadtpark, durch die weitläufigen Jagdgründe).

 

Der nächste Park, der öffentlich zugänglich gemacht wurde, war dann der Stadtpark, der durch die Schleifung der Stadtmauer und dem Bau der Ringstraße entstand. Die offizielle Eröffnung war 1862 unter dem Motto: „freundlicher Ziergarten mit schönen Sträuchern, freien Durchsichten, verschlungenen Wegen und Blumenpflanzungen“.

Da sagt man ja, da hat es die “Lästerallee” gegeben, wo die schärfsten Zungen gesessen sind und die vorbeispazierende Gesellschaft mit Kommentaren versehen hat. Bis Ende der 1950er Jahre waren in den Parks der Stadt Wien Sesselfrauen (umgangssprachlich: Sesselweiber) tätig. Sie vermieteten an Parkbesucher Sessel. In einer Rathauskorrespondenz vom 3.7.1956 wird sogar kritisiert, dass durch die Abschaffung der Sesselfrauen nun ein Mangel an Sitzplätzen entstanden sei. Das Stadtgartenamt hat daraufhin Sessel für den Stadtpark (und den Rathauspark) bestellt.

 

Einige dieser historischen Sessel für den öffentlichen Bereich waren einklappbar, um sie leichter wegräumen zu können und verfügten natürlich auch über einen kreativen Diebstahlschutz – durch einen Metallkreis am Sesselfuß wurde eine Stange gezogen. 

Heutzutage gibt es dann sogar Loungemöbel, die zum Verweilen einladen – wie im Museumsquartier die berühmten Enzis (ursprünglich aus Hartgummi gemacht). Jedes Jahr wird im demokratischen Verfahren eine neue Farbe bestimmt – bei den Versteigerungen von den Original Enzis aus der ersten Serie wurden bis zu 6000 Euros erzielt.

 

Der teuerste Sessel, den ich mitgebracht hatte, war für das Sanatorium Purkersdorf von Josef Hoffmann entworfen worden. Als das Sanatorium saniert wurde, Denkmalschutz war nicht so gegeben und das Bewusstsein für diese wunderbaren Jugendstil Sessel war leider auch nicht vorhanden, gab es gottseidank es ein paar wenige Personen, die in weiser Voraussicht diese grandiosen Stücke aus den Müllcontainern gerettet haben. Der Sessel, den ich mit hatte, war natürlich schon restauriert, sonst hätte man ihn so gar nicht verwenden können und liegt bei einer Wertigkeit von 2000 Euro als Einzelsessel. Grandios, nicht wahr? Dieser wurde eben auch speziell nur für das Sanatorium gefertigt und ist somit eine Rarität (vor allem weil so viele davon einfach entsorgt wurden).

 

Die Sitzmöbel, typische Gartensessel, die wir auch von den Großeltern noch kennen, die so genannten “Spaghettisessel” (die sprichwörtliche Form gibt den italienisch inspirierten Namen vor) boomen ja im Moment. Sie stammen aus der Zeit des Lilienporzellans in den wunderschönen pastelligen Farben, stapelbar oder klappbar, und diese sind eben wie gerade erwähnt absolut wieder in. Die neue Generation steht ja unglaublich auf Nachhaltigkeit und die Rückkehr zum Analogen sowie das Interesse an Vintagemöbel und Nostalgieobjekten floriert. Ich finde das großartig, dass sich dieses Bewusstsein wieder entwickelt. 

Wer sammelt solche Möbel, fragte mich Verena zum Abschluss – also auf jeden Fall viele Museen, wie das MAK oder das Hofmobiliendepot oder eben auch private Sammler:innen. Diese Sesselsammlung kam aus einem legendären Filmrequisitenfundus. 

 

Danke an dieser Stelle an Paul.

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Der Stock – ein Schmuckstück

Montag, 23.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Geh-, Dekorations- und Sammelstöcke

 

“Heutzutage sieht man ja Menschen mit Stock nur als Gehhilfe, früher war das ganz anders, da war es ein Schmuckstück, so ein Gehstock – hätte Christof früher gelebt, hätte er so einen besessen!” meinte Norbert als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag.

Ich hatte ja eigentlich eher Dekorations- und Sammelstöcke, als Geh- und Spazierstöcke, mit, aber einen kurzen historischen Abriss dieser wunderbaren Objekte mit Geschichte konnte ich nicht auslassen.

Geh- und Spazierstöcke sind nicht nur gehmotorische Hilfsmittel, wie auch Norbert meinte, sondern seit den letzten Jahrhunderten auch das Standard-Accessoire des Dandy. Vor allem die Griffe sagen viel über deren Besitzer aus. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Designs und Materialien: ob schlichtes Silber ziseliert, Perlmutt, Halbedelsteine oder in Form von Tierköpfen /-körpern gestaltete Griffe mit der Option eines eingebauten Messers (heute verboten). Es gibt verschiedene Arten von Stöcken: Dekorative Stöcke (ästhetische Funktion, Augenmerk auf Optik, Materialien), Volkskunst Stöcke (Augenmerk auf Hersteller, Dekoration haupts. Schnitzereien), so wie auch System- oder Gerätstöcke (Sammelobjekt Nr 1, Versteck oder doppelte Funktion – dazu später noch mehr).

Doch wie fing das alles nun genau an?

Unter alten ägyptischen Grabbeigaben wurden auch immer wieder Gehstöcke gefunden. Sogar der Pharao besaß einen speziellen Stab. Der Wert des Stocks bei den Ägyptern überdauerte vom Leben sogar in den Tod, wie die Funde beim König Tutanchamun belegen. Mehr als 100 Stöcke wurden in seinem Grab gefunden, um ihm im Leben nach dem Tod oder beim Weg über den Jordan, wie Norbert und ich scherzten, zu unterstützen.

Während der Barockzeit nahm die Rolle des Stockes als Zeichen des sozialen Status stark zu. Könige und Aristokraten statteten die Stöcke mit kostbaren Juwelen und edlen Metallen aus.

Ab dem 19. / 20. Jahrhundert kam der Gehstock als Accessoire bei der breiten Bevölkerung an. Vornehme Herren aus Adel und Bürgertum waren selten ohne Spazierstock unterwegs (Damen hingegen selten ohne Schirm). Der Stock wurde auch als Mittel der Selbstverteidigung entdeckt und war – man glaubt es kaum – oft mit einem Messer ausgestattet. Die Frauen hatten auch ihre eigene Methode entwickelt, nämlich einen Parfumzerstäuber mit Essig zu füllen, um schlechten Geruch zu verbreiten um ungewollte Verehrer abzuwehren. 

Funktions- oder Systemstock: 1500 Patente während des 19. Und 20. Jahrhunderts für diverse kuriose Varianten wurden angemeldet. Kuriositäten wie der Fahrrad- Stock (Stock an dem ein ausklappbares Notfahrrad montiert war) oder sogar eine Stockpistole (man denke nur an James Bond).

Mit hatte ich Stöcke aus drei Kontinenten. Ein afrikanischer Stock war mit, aber kein touristischer, siehe Screenshot. Ein europäischer aus dem Osten Deutschlands von der Porzellanmanufaktur Meißen oder Dresden mit einer Wertigkeit um die 1000 Euro. Nach obenhin gibt es keine wirkliche Grenze, man denke nur an den Stockknauf des Dresdner Hofjuwelier Johann Christian Neuber (1736-1808) aus der erlesene Kollektion einer Privatsammlungen wie des Grünen Gewölbes oder auch ein Fabergé Ei am Knauf – als Griff. Kurz zur Erklärung – das Oberteil ist der Knauf der Griff, die Stange der Schuss und die Zwinge am Ende.

Ganz entzückendes Detail eines Funktionsstocks – ein Stock mit integriertem Taschentuch, als Flirtbehelf anno dazumal, das heutige Tinder – auf einem Ball konnte eine Dame ihr Taschentuch aus dem Gehstock (aus dem Maul des Tierkopfknaufs beispielsweise) fallen lassen, um das Objekt der Begierde, den galanten Gentleman zur Interaktion zu bewegen.

Einen versteckter Zweck gab es auch bei dem Schwarzangler Stock wo man die Spule separat anstecken konnte. Norbert half mir die Angel auszufahren (mehr als 3 Meter). 

Aus Asien also dem dritten Kontinenten hatte ich einen Königsstock mit wunderbarer Symbolik mit.

Aber auch politische Symbolik – am Knauf Konterfei Karl Marx – oder eine nackte Frau, die sich in der Hand des Trägers räkelt, waren mit dabei.

Die Materialien sind einfach so unglaublich vielfältig – das beste Beispiel dafür: ein Stock aus Haifisch Rückgrat gefertigt – aber von der Länge doch kein Gehstock, kam von Norbert der Einwand und er hatte recht. Es war ein sogenannter Bummler, der unter dem Arm getragen wurde, wie man auch gut auf dem Screenshot sieht.

Stöcke mit wunderschönen Tierköpfe aus Elfenbein waren auch mit in der Sendung. Allerdings – seit 19.1.2022 darf man mit Elfenbein nur noch handeln, wenn man genau nachweisen kann, woher es kommt und es vor März 1947 gefertigt wurde. 

“Auf dass er dich zu mir führt!” stand auf Französisch (“Qu’il te guide près de moi!” auf dem goldenen Gehstock, der Verena am meisten zugesagt hatte.

Nach dem ersten Weltkrieg fand eine Abwertung des Spazierstockes statt, Charlie Chaplin benutzte ihn noch als Karikatur der bürgerlichen Gesellschaft, ein sogenannter swagger, ein biegsamer Stock (to swagger heißt stolzieren). Ab dem zweiten Weltkrieg kam es nur noch als Utensil mit Fahrradklingel / Flaschenhalter vor und wurde als eher altmodisches Accessoire wahrgenommen. Das Aussehen wurde funktional – der Griff wurde anatomisch gestaltet, Gummikapsel unten angebracht, um Rutschfestigkeit zu gewährleisten. Die ästhetischen Schönheit aus vergangenen Zeiten sind jedoch für den/die Sammler/in begehrte Objekte mit Geschichte.

 

Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seipt.

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Bierkrüge

Montag, 16.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Der figurale Bierkrug

 

Eine ganz spannende Sammlung an figuralen Bierkrügen hatte ich diesmal in der Sendung mit. Ein Bierkrug in Rettichform – eine skurrile Art der Gestaltung, meinte Martin. Der Rettich schaut grantig, weil der Wirt sagt “es ist jetzt gleich die letzte Runde!”, es gibt auch eine grinsende Version, für die Zeit davor.

1492 ist Amerika entdeckt worden, aber noch viel wichtiger: in dem Jahr wurde die Stiegl Brauerei gegründet. Als waschechter Salzburger wusste das Martin natürlich.

Es ist verbrieft, dass es 3000 vor Christus Bier gab. Man weiß ja auch aus Asterix, dass die lauwarme Cerveza aus Hörnern getrunken wurde. Das gestalterische Moment begann aber dann erst im 16. Jahrhundert und Renaissance Künstler haben aus den Bierkrügen wunderbare Kunstwerke gemacht.

Von damaligen Fürsten und Konsorten wurde beschlossen, dass jeder Krug einen Deckel braucht, um die Pestviren, Mücken, Wespen, Bienen und sonstige Insekten von dem flüssigen Gold fernzuhalten.

Das älteste Modell, das ich mitgebracht hatte, stammte von einem Schützenverein – als Motiv eine neckisch dreinschauende Dame, die eine Zielscheibe am Haupt als Deckel trug.

Jeder Krug hat eine Bedeutung. Servicekraft waren damals immer die Frauen, nach dem Wettbewerb gab es ein gutes Bier aus dem Krug – eben in Gestalt einer Servierdame. Man entdeckt wenn man genau hinsieht versteckte Geschichten – oder den verdeckten Trinker – auf einem Krug am unteren Rand zog sich versteckt rundherum ein Schriftzug “Wenn man beim Hofbräuhaus bleibt und nicht mischt, hat man am nächsten Tag keine Kater”, ergo der Kater als figurale symbolische Repräsentation. 

Tierisch ging es generell zu: Kater, Frosch (aus einer Gilde der Zoologen eventuell), Affe als Figuren auf den Krügen – frei nach Tante Jolesch “alles was schöner ist als ein Aff’, ist ein Luxus” .

Leidenschaftlich fanatische Sammler:innen sind vor allem die Amerikaner. Historisch gesehen sind sie nicht berühmt für ihr gutes Bier (heutzutage gibt es aber eine spannende Bierkultur und viele großartige Microbreweries), sondern eher der süddeutsche Raum, vielleicht haben sie genau deshalb ein Faible für diese Objekte mit Geschichte entwickelt. 

Wertigkeiten dieser Bierkrugsammlung lagen wir beim billigsten Stück bei 100 Euro bis zum teuersten Krug von einem Wert von einem runden Tausender.

Nürnberger Trichter – die Weisheit wird sozusagen in den Kopf hineingetrichtert – die philosophische Weisheit nimmt exponentiell mit steigendem Bierkonsum zu. 

Beendet wurde die figuralen Bierkrug-Ästhetik-Periode Ende der 1920er Jahre, da es dann mehr um Schlichtheit und weniger um die Gestaltung ging.

Am Ende musste ich natürlich noch anmerken, dass “Bierkrug”, in der alten Übersetzung, die auch heute noch zum Einsatz kommt, im US-amerikanischen Raum mit “stein” übersetzt wird. Nomen est omen!

 

Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seif!

 

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Der Vorläufer der Vinylschallplatte

Montag, 09.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Die Schellackplatte

Eine ganz spannende Sendung war das wieder gestern – diesmal hab ich mal wieder mit Norbert Oberhauser ein grandios spannendes Thema besprochen: den Vorläufer der Vinylschallplatte – die Schellackplatte!

 

Norbert wollte gleich, als er die Musik am Anfang meines Sendungsbeitrages vernahm, das Tanzbein mit einem Slow Foxtrott schwingen. Die wunderbare Verena Scheitz wurde auch gleich von der Musik verleitet, wie man im nachstehenden Screenshot sieht. 

 

Damit haben Urgroßmutter und Urgroßvater Musik gehört. Das hat mich dann gleich in Erinnerungen schwelgen lassen, an den wunderbaren Moment als ich mit dem unglaublichen Schellacksammler und Produzent Willi Schlager zusammengesessen bin, um mir diese Gustostücke für die Sendung auszusuchen. Daraus ist eine richtige Session geworden, in der wir uns eine Platte nach der anderen angehört haben. Man sollte auf jeden Fall die Stahlnadel nach jeder Schellack wechseln, um sie gut erhalten zu können.

 

Aber wie es so schön heißt – wer hat’s erfunden? (Nein, nicht Rucola in diesem Fall): Ein Deutscher aus Hannover namens Emil Berliner (später nach USA ausgewandert) hatte einen neuen Tonträger patentieren lassen – die Schallplatte – 

ein Naturprodukt, das aus (den Ausscheidungen) der Lackschildlaus entstand (von 1895 bis um 1961) – Schellack, das tonnenweise in Südostasien produziert werden konnte. Im Oktober 1896 gab der Erfinder die Verwendung von Hartgummi als Plattenmaterial auf und ersetzte die Substanz durch eine hergestellte Pressmasse, die im Wesentlichen aus Schellack als Bindemittel bestand und ursprünglich für Isolatoren entwickelt worden war.

 

Im Privatbereich, ohne selbst instrumentalisieren zu müssen, war diese Erfindung natürlich eine unglaubliche Möglichkeit Tonträger anzuhören. 

Meine Großmutter hat Schlager gesungen in den 1930er Jahren – es hat davon auch Schellacks gegeben, die dann leider alle im Weltkrieg zerstört worden sind.

Die großen Stars waren Zarah Leander oder Marlene Dietrich und Opernstars wie Caruso oder Maria Callas. 

 

Vinyl-Schallplatten, bei denen die anderen Vorteile des Materials, dass es geringere Abspieldrehzahlen und dadurch eine längere Spieldauer ermöglicht (33 U/min), ausgeschöpft wurden, gab es bis 1948 nur im Rundfunkeinsatz sowie als Test- und Demopressungen. Erst dann wurden auch Vinyl-Schallplatten mit Mikrorille und geeignete Abspielgeräte für den Einsatz zu Hause herausgebracht.

Schellackplatten wurden bis in die frühen und in der sogenannten Dritten Welt noch bis in die späten 1960er Jahre hergestellt. Die letzten Platten wurden angeblich 1972 in Südafrika gepresst. Noch bis in die frühen 1980er Jahre waren fast alle Plattenspieler mit der Geschwindigkeitseinstellung von 78 U/min ausgerüstet, ließen sich mit Nadeln für Schellackplatten verwenden und waren demnach auch für dieses für Plattenformat passend.

 

Ich sprach auch über technische, wie eben genannte Details, so wie charakteristische Merkmale, aber auch über die sehr rührige Geschichte des Hundes, welcher der Stimme des Herrchens lauscht – alias – his master’s voice, die zu einem riesigen Marketingerfolg wurde. Wir alle kennen das berühmte Image, wo der Hund vor dem Grammophon sitzt. Der Name und das dazugehörige Logo gehen auf den Maler Francis Barraud zurück, der 1898 seinen Hund Nipper beim Lauschen eines Edison-Phonographen porträtiert hatte. 

 

Die Platten sind teilweise millionenfach erzeugt worden. Glenn Miller Swing oder Jazz wurden nicht in so großer Stückzahl produziert, wie Opernplatten – wie wir schon wissen, je seltener desto besser, desto wertvoller.

Den Klassiker „Mister Sandman“ haben wir uns dann noch angehört, ohne vorherigen Nadelwechsel, aber das wurde mir hoffentlich verziehen, denn die Zeit war knapp bemessen  – diesen Musikgenuss konnten Norbert und ich den Zuseher:innen einfach nicht vorenthalten!

 

Vielen Dank an den Leihgeber Willi Schlager!

 

 

 

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Küchenuhren

Montag, 02.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Historische Küchenuhren

 

 ♪♫ “Wₑᵣ ₕₐₜ ₐₙ dₑᵣ ᵤₕᵣ gₑdᵣₑₕₜ, ᵢₛₜ ₑₛ wᵢᵣₖₗᵢcₕ ₛcₕₒₙ ₛₒ ₛₚäₜ?”  ♪♫ 

 

Die Intro machte Birgit mit “Christof Stein hat wieder ein paar Raritäten für uns mitgebracht, die mehr können als nur die Zeit anzuzeigen!”

Begonnen habe ich diesmal mit einem heutzutage als sehr kontrovers einzustufenden Statement. Die Küchenuhr und auch die Armbanduhr wurden ursprünglich für die Frau erfunden, damit das Essen für den Herren des Hauses zeitgerecht am Tisch stand. Das konnte Birgit natürlich nicht so stehenlassen und meinte, dass dies kein sehr emanzipatorischer Akt gewesen wäre und man wenigstens die Hausfrau als “Managerin des Hauses” betiteln sollte. 

So oder so haben sich die Zeiten gottseidank geändert und nun bringt die Küchenuhr nostalgischen Vintage-Flair in Single und Familienhaushalte.

Aber wie hat das Ganze nun angefangen? Im Grunde mit den Wanduhren, die es seit dem 19. Jahrhundert gibt, allerdings mit aufwendigeren Uhrwerken, welche dann für die Küchenuhren einfacher gemacht wurden.

Die Küchenuhr hatte nun, wie schon erwähnt, schon im 19. Jahrhundert ihre Funktion, als Back- und Kochhilfe.

Ursprünglich mit Holzgehäuse, was in der Küche nicht so praktisch war, da durch das Kochen das Holz leiden würde begann aber der richtige Siegeszug quer durch alle Küchen mit dem Gehäuse aus Keramik.

Als Dekor fungierte anfänglich, was man in der Küche hatte, also beispielsweise ein Suppenteller, in den man ein Loch hinein gemacht und ein einfaches Uhrwerk angebracht hat, meistens mit einem Pendel, einfaches Blechwerk. Mit einem Generalschlüssel für Uhren kann man diese aufziehen.

Die ältesten Modelle, die ich mit hatte, wunderbare Sammlerstücke, waren aus  circa 1910, also relativ zum Beginn des Zeitalters der ersten Küchenuhren.

Nun zu den Herstellern – Wilhelmsburg in Niederösterreich galt nahezu als Weltmarktführer. Alle Uhrenmanufakturen haben das Gehäuse aus Keramik, das Schild, das Zifferblatt dort bestellt, aus zolltechnischen Gründen haben dann einige eine Niederlassung dort oder dann in Wien gegründet.

Entzückendes Detail am Rande – alle Uhren haben immer einen eigenen Namen bekommen, ein meiner älteren Darstellungsobjekte war die Uhr “Habsburg”

Bei der Oma oder bei der Köchin in der Küche war dann auch der Platz, wo die Kinder die Uhrzeit lesen gelernt haben, frei nach Paulchen Panthers Motto „wer hat an der Uhr gedreht” …

Als Zusatzfunktion gab es manchmal eine Art Wecker, um die optimale Backzeit für den Apfelstrudel oder Marmorkuchen zu stellen.

Die Uhrenmarke Junghans war dabei der Big Player und auch in gestalterischen Fragen ein Vorreiter.Ein wichtiger Küchenuhr Designer für Junghans war Max Bill, der als Künstler bei Kandinsky gelernt und auch in der Politik mitgewirkt hat. Er hat verfolgte Personen, die untertauchen mussten, bei sich aufgenommen. Später war er auch Professor an der Ulmner Hochschule. Das Design seiner Küchenuhr (in Zusammenarbeit mit Ernst Möckl) erfüllte, und das ist auf den ersten Blick sichtbar, alle qualitativen Voraussetzungen, die funktionalistisches Design seit dem Bauhaus einforderte. Bills Uhren sind durch die Bank schlicht und elegant sowie zeitlos in ihrem Design, ein Attribut, das in Zusammenhang mit dem Thema Uhren einen ganz besonderen Wortwitz durchschimmern lässt. 

Bill, der für unzählige Armbanduhr-Entwürfe von Junghans verantwortlich zeichnet, ließ auch bei seiner Küchenuhr die gewohnte formensprachliche Sorgfalt walten. Die Uhr misst 180 Millimeter an der breitesten Stelle, streckt sich 252 Millimeter in die Höhe. Das Gehäuse aus Keramik ist hellblau glasiert, die Lünette verchromt. Unter der eigentlichen Uhr ist ein Kurzzeitmesser angebracht, der auf maximal 60 Minuten einzustellen ist. Damit man weiß, wann der Kuchen fertig ist.

Dieses Küchenuhrenzifferblatt sollte der Ausgangspunkt für alle weiteren Max-Bill-Uhren sein. Die Skala des Kurzzeitmessers lehnt sich an das Zifferblatt an und ist ebenso übersichtlich. Als kleinerer Kreis ist der Kurzzeitmesser unter dem Kreis des Hauptzifferblatts angeordnet. Die äußere Form der Küchenuhr scheint sich direkt aus dieser Anordnung zu ergeben; sie umfasst ganz einfach die beiden Kreise – was mit einleuchtender Logik zu einer Tropfenform führt. Gleichzeitig fügt sich diese Tropfenform nahtlos ins Formenspektrum der fünfziger Jahre mit ihren Nierentischen und stromlinienförmigen Haushaltsgeräten. Auch das Himmelblau des Uhrengehäuses passt in ein Jahrzehnt, das nach der Tristesse des Krieges in Pastellfarben schwelgte.

Zwei Varianten gibt es von seiner Uhr – die Variante ohne Wecker liegt bei einer Wertigkeit von 200 bis 300 Euro. Die Originaluhren mit Wecker als Zusatzfunktion liegen dann schon bei einer Wertigkeit von 600 – 800 Euro.

Jetzt gibt es wieder Neuauflagen, auch hier wieder der Trend von Digitalen zum Analogen, die nostalgische Wiederentdeckung der Langsamkeit, der Simplizität, des Überschaubaren. 

Sogar mit Sekundenzeiger war ein besonderes Modell versehen, eher eine Rarität.

Objekte mit Geschichte von kleinen Uhrenmanufakturen wie Peter, Kienzle  oder der deutsch-amerikanischen Uhrengesellschaft zeigte ich auch in meinem Sendungsbeitrag!

Das Innenleben einer Original Küchenuhr von damals hatte ich zur Veranschaulichung auch mit. Der Frevel, der leider heutzutage aus Faulheit begangen wird, ist es das aufziehbare Uhrwerk gegen ein batteriebetriebenes Plastikteil, wie man es vom ordinären analogen Wecker kennt, auszutauschen.

So ein Uhrwerk war ein wirkliches Kunstwerk, also eine wirkliche Schande es auszutauschen und natürlich muss man mit einem erheblichen Werteverlust rechnen, da nur noch die Vintage Optik bleibt.

Eine Küchenuhr, die ich mitgebracht hatte, war von knapp nach dem zweiten Weltkrieg und hatte ein ein Sieben-Tage-Werk, was bedeutete, dass man die Uhr alle sieben Tage aufziehen musste. Den Zeitgeist der Gestaltung konnte man auch immer wie die Zeit selbst ablesen.

Die Begeisterung der Sammler:innen hinsichtlich dem Wiederaufkommen von “old school” Küchenuhren ist einfach eine wunderbare Sache und trägt zur Re-integration dieser spannenden Objekte mit Geschichte in den Alltag bei.

 

Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seipt!