Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Vögel
Montag, 12.06.2023, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF
Thema diesmal: Viechtauer Vogerl und Vogelschutz
Gezwitschert wird immer weniger in Hinterhöfen in der Stadt, aber das Thema Vogel hat trotzdem Konjunktur, bei Klimaschützern genauso wie bei der dichtenden, musizierenden oder malenden Zunft. Der dramatische Bestandsrückgang diverser Populationen liefert dafür einen guten Grund. Doch nicht nur als bedrohte Art, sondern auch als starkes Symbol der Kulturen flattern die Gefiederten durch alle Genres der Literatur (Jonathan Franzen ist nicht nur ein guter Schriftsteller, sondern auch Vogelliebhaber,- beobachter und -beschützer), Musik (man denke “Black Bird” von The Beatles oder “Komm schwarzer Vogel” von Ludwig Hirsch) und Film (z.B.: “Birdy” mit Nicolas Cage). Größtenteils ist die Konnotation eine durchaus gute, mit der Ausnahme des 1963 erschienenen Films “Die Vögel” von Alfred Hitchcock. Vögel sind uns somit immer ganz nah, ob in der Natur oder der Kunst.
In einem Liebesbrief meiner ersten Freundin an mich stand schon: ”Sei frei wie ein Vogel, aber flieg nicht davon!”.
Frei wie ein Vogel, die schöne, ewige Illusion!
Aber wie ihr wisst, beginne ich meine Sendungsbeiträge gerne mit einer Geschichte.
Die Vogelpredigt des heiligen Franziskus ist ja legendär, aber wer wusste eigentlich, dass auch ich die Vogelsprache beherrsche? Wenn die Kinder schlimm waren, habe ich den Vogerln gezwitschert, dass sie leise sein sollen. Da waren die Kinder dann endlich still für eine Weile, damit die Vogerln wieder ihren Gesang aufnahmen. Martin hat mich dazu animiert, ihm mein Vogelgesang-Repertoire zu zeigen.
Aber nun zu den Objekten, die ich mitgebracht hatte – nämlich Vögel aus verschiedenen Materialien:
Das älteste Stück war im Rokokostil des Historismus. Eine Schale, auf welcher ein Vogel gerade den Akt des Losfliegens initiiert. Gemacht aus Spiauter (eine Zinn-Metall Legierung), einem Material, das heute nicht mehr verarbeitet wird.
Weitere Objekte mit Geschichte waren Stickbilder mit Vogelmotiven drauf. Da stellt man sich vor, wie die älteren Damen zusammengesessen sind und dies als Freizeitaktivität, statt passivem Fernsehkonsum, absolviert haben.
Aus Porzellan und Keramik waren diverse Schwalbenmotive gefertigt. Eine Vogelfigur von der Marke Hummel, sowie ein Objekt aus Murano, als auch ein handgeformter und gebrannter afrikanischer Vogel waren mit in der Studio2 Sendung. Aus meiner eigenen Sammlung zeigte ich vier Holzvögel, die aus verschiedenen Nachlässen stammen, die als Zahnstocherbehälter fungierten, welche den Federschwanz stilisieren sollten. Dieses dänische Design ist einfach zeitlos schön.
Ein ganzes Vogeluniversum aus Oberösterreich habe ich mir diesmal von Julia Halling ausgeliehen. Wunderbar inszeniert vom Studio2 Set-Team Christa und Miriam, in einem Holzvogelhaus aus meiner eigenen Sammlung. Die Viechtauer Handwerkskunst geht auf eine jahrhundertlange Tradition zurück. Jeder Haushalt hat damals noch geschnitzt, im 15. Jahrhundert, und aus der Zeit gibt es nahezu nichts mehr zu finden, außer in Volkskundemuseen. Die älteren Stücke aus der Barockzeit bewegen sich heute in einem fünfstelligen Euro Bereich. Jene, die ich im Studio2 mithatte, stammen teilweise aus dem späten 19. Jahrhundert und sind jeweils ein paar hundert Euro wert.
Holzvögel, wie diese, galten im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert als eine Liebesgabe vom Mann an die Frau – die einem Heiratsantrag gleichkam. Es war nicht gern gesehen, wenn eine Frau schon mehrere Vögel in ihrem Besitz hatte.
Diese Vögel wurden nach dem natürlichen Abbild geschnitzt, naturnah und in Lebensgröße. Sie waren handbemalt und saßen oft auf einem echtem Ast, meist mit Drahtbeinen befestigt.
Was die Kreativität betrifft, gab es kaum Grenzen – alle heimischen Vogelarten wurden dargestellt – Specht, Gimpel, Amsel, Stieglitz, Star, Schwalben, Rotkehlchen, Zaunkönig, um nur einige wenige zu nennen.
Eine großartige Dekorationsidee, um die lebenden Vögel in der Natur zu belassen. Der ausgestopfte Vogel als Wohndekoration hat heute einfach keine Existenzberechtigung mehr. Eventuell nur noch aus einem Nachlass und um dem Leben und dem Blutzoll des Lebewesens zu gedenken, aber definitiv keine heutzutage geschossenen und ausgestopften Vögel.
Es bleibt trotzdem das mulmige Gefühl, dass diese bunte, lebendige, fröhliche Welt un
serer gefiederten Freunde uns irgendwann nur noch als Erinnerung bleibt. Die weltweit operierende Organisation Birds Life hilft dabei, dass es nicht dazu kommt! Mit 115 nationalen Partnern decken sie alle Kontinente, Landschaften und Meeresgebiete ab. Sie haben Regionalbüros in Accra, Amman, Brüssel, Cambridge, Dakar, Nairobi, Singapur, Suva, Tokio und Quito und sind der größte internationale Zusammenschluss für Natur-, Vogelschutz und Lebensraumbewahrung.
Das berühmte Volkslied „Alle Vöglein sind schon da“ soll noch viele weitere Jahrhunderte seine Berechtigung haben!