Beiträge

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Keramik

Montag, 30.10.2023, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Spritzdekor Keramik

“Wir sind alle im Wandel der Zeit und heute gehen wir ein wenig in der Zeit zurück”, meinte Norbert als Einleitung in mein Sendungssegment.

Die Anfänge der Spritztechnik lassen sich in das späte 19. Jahrhundert zurückverfolgen und wird zumeist mit der amerikanischen Keramik Entwerferin Laura Ann Fry und dem Erfinder Charles L. Burdick in Verbindung gebracht. Bereits 1883/84 soll Frey während ihrer Tätigkeit für die Manufaktur Rookwood Pottery in Cincinnati, Ohio einen sogenannten “Mundzerstäuber” (Engl.: mouth atomizer) erfunden haben. Dieser wurde in den darauffolgenden Jahren weiterentwickelt, bis schließlich 1886 die Patentanmeldung für eine “mit Druckluft betriebene Spritzpistole” folgte. 1889, im Jahr der Patenterteilung, stellte Rookwood Pottery ihre Spritzdekor-Keramik auf der Weltausstellung in Paris vor, (das Jahr in dem der Eiffelturm eröffnet wurde) wo sie erste Erfolge feierte und international Bekanntheit erlangte. Der amerikanische Hobby-Aquarellmaler Ch. L. Burdick soll sein Gerät ebenfalls bereits Ende des 19. Jahrhundert erfunden haben. Er meldete den Spritzapparat nach seiner Übersiedlung nach London zum Patent an und gründete kurz darauf die Firma Fountain Brush. Im deutschsprachigen Raum war es Albert Krautzberger, welcher 1902 als erster ein “durch Druckluft betriebenes Malgerät” zum Patent anmeldete. Bis zum ersten Weltkrieg wurden Farbzerstäuber bereits im großen Stil auch in den Keramikmanufakturen verwendet. Heute würde man es wahrscheinlich „Airbrush“ Technik nennen.

In der Mitte der Dreißiger Jahre wurden die revolutionären Muster im Umfeld des Entarteten angesiedelt wurde und verschwanden aus den Regalen und wurden massenweise zerschlagen. Zuvor erfreut ich die Technik größter Beliebtheit und fand sich in fast allen Haushalten. 

Spritzkeramik ist für viele Menschen erschwinglich. Ein an Moden orientiertes Konsumverhalten setzt sich bis in die Haushalte auch der ärmeren Bevölkerung durch. Steingut ist lange Zeit ein minderwertiger Porzellan-Ersatz. Durch neue Misch- und Brennverfahren wird es in den 1920er Jahren stark verbessert. Es ist nun das bei weitem günstigere, formal überlegene und modernere Produkt. Durch neue Produktionsverfahren kann Steingut in großen, klaren und auch eckigen Formen gefertigt und bei niedrigeren Temperaturen mit sehr viel leuchtenderen Farben dekoriert werden als Porzellan. Das erfordert auch eine neue Formgestaltung und anderen Formenschmuck, der die “Schönheit in der Fabrik- und Massenware” bejaht anstelle einer Rückbesinnung auf historische Muster und individuelle Einzelarbeiten.Mit der massenhaften Herstellung von Spritzdekor-Keramik entwickelt sich eine starke Konkurrenz zwischen den Betrieben, die vom neuen Steingut profitieren wollen. Es liegt nahe, dass die avantgardistischen Dekore im Widerspruch zu der Vorstellung des Volksgeschmacks stehen, den die Nationalsozialisten ab 1933 anstreben. Sowohl die Assoziation mit der konstruktivistischen Moderne als auch die Verfemung der Abstraktion in Deutschland als “entartet”, sind eben die vorher erwähnten Gründe für das Verschwinden des Spritzdekors in der NS-Zeit. Die altdeutsche Blümchen Ästhetik ersetzte die avantgardistische Formensprache.

Nun im Speziellen: Im niederösterreichischen Wilhelmsburg wurde am Standort der Winckhl-Mühle an der Traisen um 1795 eine Steingutproduktion aufgenommen.Ein paar Jahre später auf dem Grundstück der „Winckhlmill in der Lödergassen“. Die Fabrikation erreichte keine größeren Ausmaße, bis schließlich 1883 Heinrich Lichtenstern aus Wien die “k.u.k. privilegierte Wilhelmsburger Steingut- und Porzellanfabrik” erwarb. Einige Jahre floriert das Geschäft, bis als Folge der Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 1920er-Jahre, eine Zeit großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten beginnt. Anfang der 1930er-Jahre wird mit der Produktion von kubistischen Spritzdekoren begonnen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden alle drei Werke durch die Nationalsozialisten enteignet und nach dem Krieg die beiden Werke in Znaim und Teplitz durch die tschechoslowakische Regierung verstaatlicht. In Wilhelmsburg erkennt man in den 1950er Jahren, dass das Steingut bald von Porzellan abgelöst werden wird. Die 1938 abgebrochene Porzellangeschirrerzeugung wird wieder aufgenommen. Der damalige Eigentümer Conrad Henry Lester entschied in den 1960ern, einen eigenen Markennamen für das Porzellan einzuführen, und wählte den in Österreich bis heute bekannten Namen Lilien-Porzellan. Der Name ist auf die drei Lilien im Wappen von Wilhelmsburg und auf das nahe gelegene Stift Lilienfeld zurückzuführen.

Was lange als Flohmarktware sein Dasein fristete, wurde vor gut 20 Jahren von Tilmann Buddensieg erstmals für die Ausstellung “Weimarer Keramik” ins Nürnberger Germanische Nationalmuseum geholt und wuchs mit den Jahren zu einem veritablen Sammelgebiet. Brotdose, Oma Häferl (in der Farbe passte dies wunderbar zu Norberts bordeaux-farbenem Hemd) oder eine Schüssel um das Obst zu drapieren – die Vielfalt der Produkte lässt das Sammlerherz höher schlagen, wichtig ist, den meisten so viele Stücke wie möglich im selben Stil zu finden. Der Unterschied zwischen Porzellan und Keramik ist unter anderem der Hauptbestandteil, der bei Keramik eben Ton und bei Porzellan Kaolin ist. Keramik ist um einiges zerbrechlicher, da poröser. Umso seltener somit gut erhaltene Spritzdekor Keramik ohne jegliche, wenn auch minimale, Schäden. Je seltener, desto besser für den Sammler. Spannend: Gänzlich verschwunden ist die Technik jedoch nicht. Die Karlsruher Majolika-Manufakur beispielsweise produziert noch heute Keramik im Spritzdekor.

Zum Abschluss hat mich Norbert noch gefragt, wie ich bei den Kollegen einkaufe. Falters Journalist Matthias Dusini hat mich ja den “Seelsorger der Dinge” genannt. Darauf meinte ich, dass ich nicht handle, sondern den Objekten den nötigen Respekt zolle – entweder kann ich es mir leisten, oder eben nicht.

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Von Trash zur Kunst – Spoerri, Tinguely & Co.

Montag, 04.09.2023, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Franz Dudes “trashige” Kunstobjekte

In meinem heutigen #studio2 Sendungsbeitrag auf #orf ging es um Kunst, die aus Trash gemacht wird.

Dinge, wo man auf den ersten Blick nicht weiß, ob und was sie wert sind, meinte Norbert.

Es gibt viele Künstler, die aus Trash Kunst machten – Marcel Duchamp, Daniel Spoerri und seine Fallenbilder oder auch der brasilianische Künstler und Kurator Vik Muniz, oder der Schweizer Bildhauer und Maler des Nouveau Réalisme Jean Tinguely, Joseph Beuys… um nur einige zu nennen. Viele Vorbilder aus aller Welt haben sich mit Müll oder Trash beschäftigt und daraus hochpreisige Kunst geschaffen.

Ich komme in Wohnungen, in Nachlässe und denke mir – schade, das kann man doch nicht alles wegwerfen. Meine Aufforderung an alle  – packen Sie den Ramsch in eine Kiste und geben Sie ihn zumindest dem nächstgelegenen Kindergarten. In Kindern stecken immer kleine Künstler!

Schon knapp vor den Swinging Twenties hat Marcel Duchamp für Aufregung in der Kunstszene gesorgt, als er seine Ready-mades als Kunst verkaufte – das berühmte Urinal aus 1917 mit dem klangvollen Titel “Fountain” (signiert R.Mutt)haben wir alle im Kopf.

Daniel Spoerri, der ja in Niederösterreich in der Nähe von Langenlois sein Museum hat , kommt oft mit seinen über 90 Jahren bei mir am Naschmarkt Flohmarkt vorbei um Materialien für seine Kunstwerke zu sammeln.

Wo früher die Bühne des alten Basler Stadttheaters stand, hat Jean Tinguely 1977 verspielte Maschinenskulpturen in ein Wasserbecken gestellt und der Stadt damit ein neues Wahrzeichen geschenkt. Spoerri und Tinguely hatten sich übrigens in den 1950er Jahren auch in Paris angefreundet, waren Zeitgenossen und beide Vertreter des Nouveau Réalisme. Tinguley hat mit Schrottplatzmaterial auch den fantastischen Brunnen vor dem Centre Pompidou gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Niki de Saint Phalle gestaltet. Aus Trash kann große international anerkannte Kunst werden !

Lauter wertlose Souvenirs, beispielsweise eine Sammlung an Muscheln werden mit Kunst des Erinnerns mit Wert versehen. So genannter Ramsch, den ich oft in Nachlässen finde, beispielsweise, wird in Künstlerhänden vom Wertlosen zum Kunstgegenstand transformiert . So können Mythen entstehen. Auch die #studio2 Set Designerin Christa hat sich aus der Ramschkiste ein paar Sachen rausgefischt und sich im Arrangement selbst verwirklicht – frei nach Joseph Beuys – in jedem steckt ein Künstler. Der Satz entwickelte sich für Beuys zu einer Art Slogan.

Franz Dude, Wiener Künstler, Kameramann, Musiker und Musikproduzent, Co-Geschäftsführer im Ramsch&Rosen ist einer dieser Trash Künstler, der kleine beschnitzte Knöchelchen, Modeschmuck, Käfer, Schmetterlinge und viel anderes “Zeugs” auf einem Baumstamm arrangiert. Diese drei Kunstwerke im Glassturz kommen auf eine Wertigkeit von 3000 Euro pro Stück. Aus Trash wird Kunst!