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Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Möbel und Objekte mit Geschichte – Industrieeinrichtung

Montag, 14.02.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Industriemöbel

Von der historischen Fabrikhalle ins eigene Heim…

Heute habe ich im Studio2 einen unglaublichen Trend, der aus Chicago, Detroit, New York City zu uns rüber schwappt, vorgestellt— schon lang in London und vor allem Südfrankreich etabliert, wo es natürlich seit geraumer Zeit schon zig coole Vintage Industriedesign Geschäfte gibt. INDUSTRIEEINRICHTUNG – Möbel und Objekte mit spannender Geschichte…

Durch die Dampfmaschine gab es Fabriken und dadurch Industriemöbel – Möbel und Objekte mit Geschichte aus renommierten alten Fabriken habe ich heute in der Sendung präsentiert.

1764 erhielt James Watt als Universitätsmechaniker den Auftrag, das Modell einer Dampfmaschine nach der Bauart von Thomas Newcomen zu reparieren. Er verbesserte den Wirkungsgrades der Dampfmaschine durch Verlagerung des Kondensationsprozesses aus dem Zylinder in einen separaten Kondensator und gilt heute quasi als Erfinder der Dampfmaschine. So oder so, er hat den Weg für das Industriedesign geebnet.

Der lackierte Werkzeugkasten aus der Jolly Buntstifte Fabrik der Familie Urban war das erste Objekt, das ich vorgestellt hatte – ein ehemaliger Werkzeugkasten umfunktioniert zu einem wunderschönen Küchenblock, der auch einfach individuell ist. Man braucht zwei Menschen, um diesen überhaupt heben zu können. Heute mit Arbeitsplatte aus Eiche versehen, auf welcher man beispielsweise ein Baguette schneiden kann und unten drunter dann das Geschirr verstauen kann. Ein Werkzeugkasten als stylischer Einrichtungsgegenstand für kreative Kunstschaffende. Norbert Oberhauser war ganz von den Socken.

Und nun ist es traurige Tatsache, dass selbst große Möbelhäuser auf den Trend aufspringen und Industriemöbel billig, im nostalgischen Stil nachgebaut, verkaufen, die nie eine alte Fabrik von innen gesehen haben, geschweige denn mit der Qualität des Originals auch nur im Ansatz mithalten können.

Das nächste Objekt war auch aus der Jolly Fabrik, und ist auf Schienen gefahren und wurde wahrscheinlich dafür verwendet schwere Dinge zu transportieren. Heute kommt es als Bücherregal zum Einsatz. Durchaus gewollt in dem shabby chic rostigen Stil – einfach Mut zum Original. Am besten ist es den Ist Zustand zu restaurieren um das “Urige” zu erhalten. Bei der Wertigkeit liegen wir bei 400 bis 600 Euro.

Ein ganz spezielles Stück war das französische Akkord Wagerl. Ich hab damals 60 Stück davon in Südfrankreich erstanden. Rechts angebracht war ein kleines Täfelchen, wo der Arbeiter mit Kreide seinen Namen vermerken konnte. Er musste das Wagerl dann mit einer Tagesproduktion an Schuhen füllen. Konnte er mehr produzieren, gab es ein wenig Geld extra, wurde er nicht rechtzeitig fertig, wurde es wohl eine Nachtschicht. Ich habe selbst eines dieser Wagerl als Schuhregal bei mir in der Wohnung stehen. Um die 35 Paar Schuhe gehen sich bei mir aus.

Sonst natürlich auch in anderer Funktion als wunderbarer Raumtrenner oder als ein herrliches Regal für die Stereoanlage und Bücher, oder in der Küche für Obst und Gemüse als Präsentationsfläche. 

Das dritte Möbelstück war ein Sessel, Rückenlehne aus Bakelit, mit einem Sattelsitz –  da kann man sich so darauf setzen, dass man keinen Bandscheibenvorfall bekommt. 

Das nächste Stück war eine Werkleuchte von Peter Behrens (Wertigkeit 800 bis 1000 Euro, wenn in gutem Zustand), der als erster Corporate Identity für AEG gemacht hat.

Ein kleiner Exkurs: Peter Behrens (* 14. April 1868 in Hamburg; † 27. Februar 1940 in Berlin) war ein deutscher Architekt, Maler, Designer und Typograf, der als Pionier des modernen Industriedesigns gilt. Würde er sehen was heutzutage an Fake Industriedesign Möbeln und Objekte ihr Unwesen treiben, er würde es kaum aushalten….Behrens war ursprünglich Künstler, wurde dann als Architekt vor dem Ersten Weltkrieg zum Vorreiter der sachlichen Architektur und des Industriedesigns. Er ist insbesondere bekannt als Mitbegründer des Deutschen Werkbundes und durch seine umfassende gestalterische Tätigkeit für die AEG vor dem Ersten Weltkrieg. 

AEG ist heute eine Marke für Elektrogeräte des Unternehmens Electrolux. Sie geht zurück auf den 1996 aufgelösten Elektronik-Konzern AEG., Das 1883 in Berlingegründete und im Jahr 1888 in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft umfirmierte Unternehmen stellte neben Produkten für die elektrische Energietechnik und den Haushaltsbedarf sogar beispielsweise Straßenbahnen her.

Aber nun zurück von diesem kleinen Exkurs zu unseren Objekten der Begierde und dem letzten in der Sendung vorgestellten Objekt mit Geschichte:

Der Haltegriff aus einer Linzer Straßenbahn kann heute als Garderobe oder als Handlauf in einem Treppenhaus eingesetzt werden. Man kann aus diesen alten und schönen Industrieobjekten etwas Neues entstehen lassen, ihnen eine neue Funktion geben. 

Apropos Linz, Tabakfabrik Linz: Die von Designer Peter Behrens entworfene denkmalgeschützte Industrieanlage war der erste Stahlskelettbau Österreichs im Stil der Neuen Sachlichkeit. Sie ist architekturgeschichtlich von internationaler Bedeutung und derzeit ist dort das Kommissariat von Julia Stembergers Soko Linz zu finden.

Was für Geschichten Möbel erzählen können…man muss nur genau hinsehen und auch gut zuhören. Was für ein Genuss!

1000 Dank & Mille Baci an die Leihgeberin Nicoletta Monaco von WOHN.ART.WiEN.