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Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Grammophone

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Grammophone

Montag, 13.06.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Portable Grammophone

 

Wenn man heutzutage unterwegs Musik hören will, ist das ganz einfach. Vor 100 Jahren war das noch ein Unterfangen, allerdings vielleicht ein wenig romantischer, meinte Birgit gleich zum Einstieg in meinen Sendungsbeitrag. Trotz Wolkenbruch haben wir die wunderbaren Töne portabler Grammophone vernehmen können – ach, diese kleinen Wunderwerke der Technik! Eines meiner absoluten Lieblingsthemen, weil es mit Musik zu tun hat – außerhalb von Hausmusik und dem eigenen Musizieren.

Emil Berliner, ein Deutscher, der nach Amerika ausgewandert ist, hat 1887 ein Patent angemeldet für die erste flachstehende Tonträgerscheibe, die auf Grammophonen abgespielt werden konnte. Er gilt als einer der Erfinder des Grammophons (von altgriechisch γράμμα grámma, deutsch ‚Geschriebenes’ und φωνή phōnḗ ‚Stimme, Laut, Ton’) , als auch der Schallplatte beziehungsweise hat er bestehende Ideen weiterentwickelt und zum Patent angemeldet.

Früher wurden Grammophone mit Handkurbeln betrieben, später gab es ein Federwerk, das man aufziehen musste und dann 2 Minuten in Kontinuität Musik spielen konnte, noch später kamen dann Elektromotoren (ab 1920).

Nur noch wenige Objekte mit Heißluftantrieb sind erhalten, aufgrund von Konstruktionsmängeln (fingen leicht Feuer) und dem hohen Preis. Der Vorteil war jedoch, dass viele Platten nacheinander gehört werden konnten – ohne Federwerk.

Das Grammophon gilt als Vorläufer des Plattenspielers (als reines Abspielgerät).

Die absolute Blütezeit erlebten die Grammophone Ende der 1920er Jahre – danach kamen elektrische Verstärker.

Ein kleiner Exkurs zur Schallaufnahme: Thomas Alva Edison hatte den Phonographen erfunden aber gleichzeitig auch der Franzose Charles Cros – beide verwendeten die Tiefenschrift, Berliner als Erster die Seitenschrift und meldete dafür ein Patent an. Eine flache wachsbeschichtete Zinkscheibe, für Aufnahme wurde über eine Schalldose über Spindel spiralförmig über die Schallplatte geführt, der Schall wurde durch den Trichter gebündelt und trieb die Membran an über ein Hebelsystem.

Ein kleiner Exkurs zur Schallwiedergabe: Nadel gleitet durch Rille auf der sich drehenden Schallplatte. Durch Wellenlinie bewegt sich die Nadel hin und her – Bewegung auf Membran übertragen – effektiv wird Schall aber nur abgegeben wenn es einen Trichter gibt, dadurch mehr Druck ergo mehr Lautstärke. Größe und Form des Trichters ausschlaggebend für Schallqualität. Keine Wiedergabe von tiefen oder hohen Frequenzen möglich. Oft gab es krächzende Geräusche, verzerrte Resonanzen.

Anlässlich des Jubiläums der Queen stellte ich DAS Picknickgerät, das portable Grammophon, das man unter dem Zylinder verstecken und dann vor der Angebeteten hervorzaubern konnte, vor. Ein komplett zusammengelegtes Gerät, das in einem Köfferchen versteckt war. Der Aufbau des Gerätes war schon so wunderbar, quasi das Vorspiel bis zum Genuß der Musik. Mikiphone Pocket Phonograph hieß dieses Gerät und war Mitte der 1920er ein absolutes MUST. Erinnert an die 1980/90er als man CD Player hatte und dann durch den Walkman mobil Musik hören konnte. Später wurde dieser dann ein Disc Man. Danach gab es die kurze Periode des Mini Disc Players

Das Gerät, funktionsfähig und top restauriert hat eine Wertigkeit von ungefähr 1000 Euro. Ein Schmankerl für Sammler:innen!

Die österreichische Gesellschaft für historische Tonträger verfügt über die folgende Website www.phonomuseum.at, diese sollte man sich unbedingt ansehen, wenn man sich für diese Thematik interessiert.

Vielen Dank an den Leihgeber Willi Schlager!

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Gartenmöbel

Montag, 30.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Gartensessel mit Geschichte

Sitzen im Grünen – im dicht bebauten Stadtgebiet hat natürlich, vor allem in Zeiten des Klimawandels und unerträglichen Hitzeperioden, besondere Bedeutung für Lebensqualität. Der Blick ins Grüne lässt die Menschen entspannen, die positive Wirkung von Pflanzen führen zu einer Steigerung des Wohlbefindens, zu einer Reduktion von Stress, Angst, Depression und zu einer Verbesserung der Konzentration, so wie der geistigen Aufnahmefähigkeit. Grüne Oasen im öffentlichen Freiraum waren und sind unverzichtbar. Die passenden Sitzmöbel sind ein absolutes MUSS für die Gewährleistung dieses urbanen Genusses. 

“Wir haben mit unserem Experten Christof Stein Platz genommen auf Sitzgelegenheiten des öffentlichen Raumes anno dazumal.” meinte Verena als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag über historische Gartensessel. “Die kannst uns öfter mitbringen!” hat dann Norbert schmunzelnd hinzugefügt. 

 

Trotz historischem Background oder besser gesagt: der metallenen Sitzfläche sitzt man doch sehr bequem auf einigen dieser Möbelstücke mit Geschichte. Der Eisenklappsessel aus circa 1800 war das älteste Modell und ausgestattet mit einem Eisendraht, der so gewebt war, dass, wenn man ihn zusammenklappt, sich der Draht so richtig schön ein- und entfädelt hatte. Dieses Fundstück lässt sich jetzt nicht direkt verorten, in Hinblick auf einen bestimmten Stadtgarten aber beispielsweise der Augarten, der älteste Garten, der öffentlich zugänglich gemacht wurde im Jahr 1775 (errichtet wurde er schon 1650), hätte auch so ein öffentliches Möbel beherbergt. (1766 wurde er Prater öffentlich zugänglich gemacht, allerdings galt dieser nicht als kleiner Stadtgarten oder Stadtpark, durch die weitläufigen Jagdgründe).

 

Der nächste Park, der öffentlich zugänglich gemacht wurde, war dann der Stadtpark, der durch die Schleifung der Stadtmauer und dem Bau der Ringstraße entstand. Die offizielle Eröffnung war 1862 unter dem Motto: „freundlicher Ziergarten mit schönen Sträuchern, freien Durchsichten, verschlungenen Wegen und Blumenpflanzungen“.

Da sagt man ja, da hat es die “Lästerallee” gegeben, wo die schärfsten Zungen gesessen sind und die vorbeispazierende Gesellschaft mit Kommentaren versehen hat. Bis Ende der 1950er Jahre waren in den Parks der Stadt Wien Sesselfrauen (umgangssprachlich: Sesselweiber) tätig. Sie vermieteten an Parkbesucher Sessel. In einer Rathauskorrespondenz vom 3.7.1956 wird sogar kritisiert, dass durch die Abschaffung der Sesselfrauen nun ein Mangel an Sitzplätzen entstanden sei. Das Stadtgartenamt hat daraufhin Sessel für den Stadtpark (und den Rathauspark) bestellt.

 

Einige dieser historischen Sessel für den öffentlichen Bereich waren einklappbar, um sie leichter wegräumen zu können und verfügten natürlich auch über einen kreativen Diebstahlschutz – durch einen Metallkreis am Sesselfuß wurde eine Stange gezogen. 

Heutzutage gibt es dann sogar Loungemöbel, die zum Verweilen einladen – wie im Museumsquartier die berühmten Enzis (ursprünglich aus Hartgummi gemacht). Jedes Jahr wird im demokratischen Verfahren eine neue Farbe bestimmt – bei den Versteigerungen von den Original Enzis aus der ersten Serie wurden bis zu 6000 Euros erzielt.

 

Der teuerste Sessel, den ich mitgebracht hatte, war für das Sanatorium Purkersdorf von Josef Hoffmann entworfen worden. Als das Sanatorium saniert wurde, Denkmalschutz war nicht so gegeben und das Bewusstsein für diese wunderbaren Jugendstil Sessel war leider auch nicht vorhanden, gab es gottseidank es ein paar wenige Personen, die in weiser Voraussicht diese grandiosen Stücke aus den Müllcontainern gerettet haben. Der Sessel, den ich mit hatte, war natürlich schon restauriert, sonst hätte man ihn so gar nicht verwenden können und liegt bei einer Wertigkeit von 2000 Euro als Einzelsessel. Grandios, nicht wahr? Dieser wurde eben auch speziell nur für das Sanatorium gefertigt und ist somit eine Rarität (vor allem weil so viele davon einfach entsorgt wurden).

 

Die Sitzmöbel, typische Gartensessel, die wir auch von den Großeltern noch kennen, die so genannten “Spaghettisessel” (die sprichwörtliche Form gibt den italienisch inspirierten Namen vor) boomen ja im Moment. Sie stammen aus der Zeit des Lilienporzellans in den wunderschönen pastelligen Farben, stapelbar oder klappbar, und diese sind eben wie gerade erwähnt absolut wieder in. Die neue Generation steht ja unglaublich auf Nachhaltigkeit und die Rückkehr zum Analogen sowie das Interesse an Vintagemöbel und Nostalgieobjekten floriert. Ich finde das großartig, dass sich dieses Bewusstsein wieder entwickelt. 

Wer sammelt solche Möbel, fragte mich Verena zum Abschluss – also auf jeden Fall viele Museen, wie das MAK oder das Hofmobiliendepot oder eben auch private Sammler:innen. Diese Sesselsammlung kam aus einem legendären Filmrequisitenfundus. 

 

Danke an dieser Stelle an Paul.

Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Der Stock – ein Schmuckstück

Montag, 23.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Geh-, Dekorations- und Sammelstöcke

 

“Heutzutage sieht man ja Menschen mit Stock nur als Gehhilfe, früher war das ganz anders, da war es ein Schmuckstück, so ein Gehstock – hätte Christof früher gelebt, hätte er so einen besessen!” meinte Norbert als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag.

Ich hatte ja eigentlich eher Dekorations- und Sammelstöcke, als Geh- und Spazierstöcke, mit, aber einen kurzen historischen Abriss dieser wunderbaren Objekte mit Geschichte konnte ich nicht auslassen.

Geh- und Spazierstöcke sind nicht nur gehmotorische Hilfsmittel, wie auch Norbert meinte, sondern seit den letzten Jahrhunderten auch das Standard-Accessoire des Dandy. Vor allem die Griffe sagen viel über deren Besitzer aus. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Designs und Materialien: ob schlichtes Silber ziseliert, Perlmutt, Halbedelsteine oder in Form von Tierköpfen /-körpern gestaltete Griffe mit der Option eines eingebauten Messers (heute verboten). Es gibt verschiedene Arten von Stöcken: Dekorative Stöcke (ästhetische Funktion, Augenmerk auf Optik, Materialien), Volkskunst Stöcke (Augenmerk auf Hersteller, Dekoration haupts. Schnitzereien), so wie auch System- oder Gerätstöcke (Sammelobjekt Nr 1, Versteck oder doppelte Funktion – dazu später noch mehr).

Doch wie fing das alles nun genau an?

Unter alten ägyptischen Grabbeigaben wurden auch immer wieder Gehstöcke gefunden. Sogar der Pharao besaß einen speziellen Stab. Der Wert des Stocks bei den Ägyptern überdauerte vom Leben sogar in den Tod, wie die Funde beim König Tutanchamun belegen. Mehr als 100 Stöcke wurden in seinem Grab gefunden, um ihm im Leben nach dem Tod oder beim Weg über den Jordan, wie Norbert und ich scherzten, zu unterstützen.

Während der Barockzeit nahm die Rolle des Stockes als Zeichen des sozialen Status stark zu. Könige und Aristokraten statteten die Stöcke mit kostbaren Juwelen und edlen Metallen aus.

Ab dem 19. / 20. Jahrhundert kam der Gehstock als Accessoire bei der breiten Bevölkerung an. Vornehme Herren aus Adel und Bürgertum waren selten ohne Spazierstock unterwegs (Damen hingegen selten ohne Schirm). Der Stock wurde auch als Mittel der Selbstverteidigung entdeckt und war – man glaubt es kaum – oft mit einem Messer ausgestattet. Die Frauen hatten auch ihre eigene Methode entwickelt, nämlich einen Parfumzerstäuber mit Essig zu füllen, um schlechten Geruch zu verbreiten um ungewollte Verehrer abzuwehren. 

Funktions- oder Systemstock: 1500 Patente während des 19. Und 20. Jahrhunderts für diverse kuriose Varianten wurden angemeldet. Kuriositäten wie der Fahrrad- Stock (Stock an dem ein ausklappbares Notfahrrad montiert war) oder sogar eine Stockpistole (man denke nur an James Bond).

Mit hatte ich Stöcke aus drei Kontinenten. Ein afrikanischer Stock war mit, aber kein touristischer, siehe Screenshot. Ein europäischer aus dem Osten Deutschlands von der Porzellanmanufaktur Meißen oder Dresden mit einer Wertigkeit um die 1000 Euro. Nach obenhin gibt es keine wirkliche Grenze, man denke nur an den Stockknauf des Dresdner Hofjuwelier Johann Christian Neuber (1736-1808) aus der erlesene Kollektion einer Privatsammlungen wie des Grünen Gewölbes oder auch ein Fabergé Ei am Knauf – als Griff. Kurz zur Erklärung – das Oberteil ist der Knauf der Griff, die Stange der Schuss und die Zwinge am Ende.

Ganz entzückendes Detail eines Funktionsstocks – ein Stock mit integriertem Taschentuch, als Flirtbehelf anno dazumal, das heutige Tinder – auf einem Ball konnte eine Dame ihr Taschentuch aus dem Gehstock (aus dem Maul des Tierkopfknaufs beispielsweise) fallen lassen, um das Objekt der Begierde, den galanten Gentleman zur Interaktion zu bewegen.

Einen versteckter Zweck gab es auch bei dem Schwarzangler Stock wo man die Spule separat anstecken konnte. Norbert half mir die Angel auszufahren (mehr als 3 Meter). 

Aus Asien also dem dritten Kontinenten hatte ich einen Königsstock mit wunderbarer Symbolik mit.

Aber auch politische Symbolik – am Knauf Konterfei Karl Marx – oder eine nackte Frau, die sich in der Hand des Trägers räkelt, waren mit dabei.

Die Materialien sind einfach so unglaublich vielfältig – das beste Beispiel dafür: ein Stock aus Haifisch Rückgrat gefertigt – aber von der Länge doch kein Gehstock, kam von Norbert der Einwand und er hatte recht. Es war ein sogenannter Bummler, der unter dem Arm getragen wurde, wie man auch gut auf dem Screenshot sieht.

Stöcke mit wunderschönen Tierköpfe aus Elfenbein waren auch mit in der Sendung. Allerdings – seit 19.1.2022 darf man mit Elfenbein nur noch handeln, wenn man genau nachweisen kann, woher es kommt und es vor März 1947 gefertigt wurde. 

“Auf dass er dich zu mir führt!” stand auf Französisch (“Qu’il te guide près de moi!” auf dem goldenen Gehstock, der Verena am meisten zugesagt hatte.

Nach dem ersten Weltkrieg fand eine Abwertung des Spazierstockes statt, Charlie Chaplin benutzte ihn noch als Karikatur der bürgerlichen Gesellschaft, ein sogenannter swagger, ein biegsamer Stock (to swagger heißt stolzieren). Ab dem zweiten Weltkrieg kam es nur noch als Utensil mit Fahrradklingel / Flaschenhalter vor und wurde als eher altmodisches Accessoire wahrgenommen. Das Aussehen wurde funktional – der Griff wurde anatomisch gestaltet, Gummikapsel unten angebracht, um Rutschfestigkeit zu gewährleisten. Die ästhetischen Schönheit aus vergangenen Zeiten sind jedoch für den/die Sammler/in begehrte Objekte mit Geschichte.

 

Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seipt.