Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Der Stock – ein Schmuckstück
Montag, 23.05.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF
Thema diesmal: Geh-, Dekorations- und Sammelstöcke
“Heutzutage sieht man ja Menschen mit Stock nur als Gehhilfe, früher war das ganz anders, da war es ein Schmuckstück, so ein Gehstock – hätte Christof früher gelebt, hätte er so einen besessen!” meinte Norbert als Einstieg in meinen Sendungsbeitrag.
Ich hatte ja eigentlich eher Dekorations- und Sammelstöcke, als Geh- und Spazierstöcke, mit, aber einen kurzen historischen Abriss dieser wunderbaren Objekte mit Geschichte konnte ich nicht auslassen.
Geh- und Spazierstöcke sind nicht nur gehmotorische Hilfsmittel, wie auch Norbert meinte, sondern seit den letzten Jahrhunderten auch das Standard-Accessoire des Dandy. Vor allem die Griffe sagen viel über deren Besitzer aus. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Designs und Materialien: ob schlichtes Silber ziseliert, Perlmutt, Halbedelsteine oder in Form von Tierköpfen /-körpern gestaltete Griffe mit der Option eines eingebauten Messers (heute verboten). Es gibt verschiedene Arten von Stöcken: Dekorative Stöcke (ästhetische Funktion, Augenmerk auf Optik, Materialien), Volkskunst Stöcke (Augenmerk auf Hersteller, Dekoration haupts. Schnitzereien), so wie auch System- oder Gerätstöcke (Sammelobjekt Nr 1, Versteck oder doppelte Funktion – dazu später noch mehr).
Doch wie fing das alles nun genau an?
Unter alten ägyptischen Grabbeigaben wurden auch immer wieder Gehstöcke gefunden. Sogar der Pharao besaß einen speziellen Stab. Der Wert des Stocks bei den Ägyptern überdauerte vom Leben sogar in den Tod, wie die Funde beim König Tutanchamun belegen. Mehr als 100 Stöcke wurden in seinem Grab gefunden, um ihm im Leben nach dem Tod oder beim Weg über den Jordan, wie Norbert und ich scherzten, zu unterstützen.
Während der Barockzeit nahm die Rolle des Stockes als Zeichen des sozialen Status stark zu. Könige und Aristokraten statteten die Stöcke mit kostbaren Juwelen und edlen Metallen aus.
Ab dem 19. / 20. Jahrhundert kam der Gehstock als Accessoire bei der breiten Bevölkerung an. Vornehme Herren aus Adel und Bürgertum waren selten ohne Spazierstock unterwegs (Damen hingegen selten ohne Schirm). Der Stock wurde auch als Mittel der Selbstverteidigung entdeckt und war – man glaubt es kaum – oft mit einem Messer ausgestattet. Die Frauen hatten auch ihre eigene Methode entwickelt, nämlich einen Parfumzerstäuber mit Essig zu füllen, um schlechten Geruch zu verbreiten um ungewollte Verehrer abzuwehren.
Funktions- oder Systemstock: 1500 Patente während des 19. Und 20. Jahrhunderts für diverse kuriose Varianten wurden angemeldet. Kuriositäten wie der Fahrrad- Stock (Stock an dem ein ausklappbares Notfahrrad montiert war) oder sogar eine Stockpistole (man denke nur an James Bond).
Mit hatte ich Stöcke aus drei Kontinenten. Ein afrikanischer Stock war mit, aber kein touristischer, siehe Screenshot. Ein europäischer aus dem Osten Deutschlands von der Porzellanmanufaktur Meißen oder Dresden mit einer Wertigkeit um die 1000 Euro. Nach obenhin gibt es keine wirkliche Grenze, man denke nur an den Stockknauf des Dresdner Hofjuwelier Johann Christian Neuber (1736-1808) aus der erlesene Kollektion einer Privatsammlungen wie des Grünen Gewölbes oder auch ein Fabergé Ei am Knauf – als Griff. Kurz zur Erklärung – das Oberteil ist der Knauf der Griff, die Stange der Schuss und die Zwinge am Ende.
Ganz entzückendes Detail eines Funktionsstocks – ein Stock mit integriertem Taschentuch, als Flirtbehelf anno dazumal, das heutige Tinder – auf einem Ball konnte eine Dame ihr Taschentuch aus dem Gehstock (aus dem Maul des Tierkopfknaufs beispielsweise) fallen lassen, um das Objekt der Begierde, den galanten Gentleman zur Interaktion zu bewegen.
Einen versteckter Zweck gab es auch bei dem Schwarzangler Stock wo man die Spule separat anstecken konnte. Norbert half mir die Angel auszufahren (mehr als 3 Meter).
Aus Asien also dem dritten Kontinenten hatte ich einen Königsstock mit wunderbarer Symbolik mit.
Aber auch politische Symbolik – am Knauf Konterfei Karl Marx – oder eine nackte Frau, die sich in der Hand des Trägers räkelt, waren mit dabei.
Die Materialien sind einfach so unglaublich vielfältig – das beste Beispiel dafür: ein Stock aus Haifisch Rückgrat gefertigt – aber von der Länge doch kein Gehstock, kam von Norbert der Einwand und er hatte recht. Es war ein sogenannter Bummler, der unter dem Arm getragen wurde, wie man auch gut auf dem Screenshot sieht.
Stöcke mit wunderschönen Tierköpfe aus Elfenbein waren auch mit in der Sendung. Allerdings – seit 19.1.2022 darf man mit Elfenbein nur noch handeln, wenn man genau nachweisen kann, woher es kommt und es vor März 1947 gefertigt wurde.
“Auf dass er dich zu mir führt!” stand auf Französisch (“Qu’il te guide près de moi!” auf dem goldenen Gehstock, der Verena am meisten zugesagt hatte.
Nach dem ersten Weltkrieg fand eine Abwertung des Spazierstockes statt, Charlie Chaplin benutzte ihn noch als Karikatur der bürgerlichen Gesellschaft, ein sogenannter swagger, ein biegsamer Stock (to swagger heißt stolzieren). Ab dem zweiten Weltkrieg kam es nur noch als Utensil mit Fahrradklingel / Flaschenhalter vor und wurde als eher altmodisches Accessoire wahrgenommen. Das Aussehen wurde funktional – der Griff wurde anatomisch gestaltet, Gummikapsel unten angebracht, um Rutschfestigkeit zu gewährleisten. Die ästhetischen Schönheit aus vergangenen Zeiten sind jedoch für den/die Sammler/in begehrte Objekte mit Geschichte.
Vielen Dank an den Leihgeber Thomas Seipt.