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Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historisches Pressglas

Montag, 06.03.2023, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Sammlung von Eduard Stopfer

“Ja das gibt es ja nicht, werden Sie sich jetzt bei dem Geldwert des einen oder anderen Gegenstands denken, den uns unser Experte Christof Stein heute mitgebracht hat!”

Und da hatte Verena ja nicht unrecht – diesmal handelte es sich bei den mitgebrachten Objekten mit Geschicht(en) um Kunstpessglasgegenstände aus den 1930er Jahren aus der Sammlung von Eduard Stopfer. Pressglas kennt man sonst eher als Gebrauchsglas wie beispielsweise Biergläser oder Milchflaschen.

Man glaubt es kaum, aber die Geschichte des Glases geht zurück bis nach Mesopotamien um 3000 vor Christi, dort hat man das erste Glas zu einem Gegenstand geformt, nämlich Glasperlen, die zum Tauschen verwendet wurden und durch den Warenhandel kam es auch in unsere Gefilde.

Kurzer Schnitt in der Geschichte

Die Glasbläser aus Murano sind ja sicherlich allen Zuseher:innen der Sendung, so wie den Leser:innen meines Blogs bekannt. Bereits im 10. Jahrhundert stellten Glashütten in Venedig Glas nach orientalischem Vorbild her. Im Jahre 1204 eroberten die Kreuzfahrer und Venezianer im Laufe des sogenannten Vierten Kreuzzuges Konstantinopel. Dies hatte den Effekt, dass Glasbläser aus Konstantinopel ihr Wissen nach Venedig brachten.

Ende des 13. Jahrhunderts gab es einen fatalen Brand in Venedig. Aus diesem Grund und aus Angst vor weiteren Brandkatastrophen wurde die gesamte in Venedig ansässige Glasindustrie auf eine Nachbarinsel von Venedig, nämlich nach Murano übersiedelt. Die Verlegung der venezianischen Glasaktivitäten nach Murano brachte einen weiteren Vorteil mit sich: Die Geheimnisse der Glasmacher waren auf Murano viel besser geschützt als im geschäftigen Venedig. Die Glasmacher wurden regelrecht auf Murano festgesetzt: Sie durften die Insel unter der Androhung der Todestrafe nicht verlassen. Dadurch entwickelte sich Murano zum Monopol für Glasproduktion.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein gab es keine Konkurrenz.  Aber mit der Zeit wurden die Angebote von ausländischen Glashütten für die auf Murano festsitzenden Glasmacher zu verführerisch.

Somit wurden in vielen ausländischen Glashütten auf einmal Glas „à la façon de Venice“ – nach venezianischer Art produziert.

Die böhmische Pressglasindustrie ist legendär, wie wir alle wissen. In Böhmen wurde Kristallglas geschliffen und das böhmische Glas wurde in ganz Europa zu einer gefragten Ware.  Im 16. Jahrhundert wurden Glasgegenstände durch Malen, Streifenmuster, Goldeinreibung, Beschlag und Schleifen verziert. Nun waren auch andere Farben möglich – weißes, rotes, blaues, schwarzes Glas.

Auch die venezianischen Glasmacher versuchten sich an der Glasschleiferei. Danach überließ man diese Technik aber wieder den Kolleg:innen in Böhmen.

Aber was ist nun dieses ominöse Pressglas wirklich?

Es ist schwierig zu definieren – es gibt Glas, das in Form geblasen wurde und somit auch die Kerben der Verbindungen der Form aufweist – aber trotzdem mundgeblasenes Glas ist. Dies bot die Möglichkeit, gleich geformte und gleich große Gläser herzustellen (wurde in Europa und Amerika praktiziert). Pressglas ist in mechanischen Prozessen gepresstes Glas.

Die Firma Riedel, die 1756 gegründet  wurde, kennt man ja eher heute als Weinglas Manufaktur, was nur wenige wissen:  auch sie haben Kunstpressglas entstehen lassen.

Wie kann man sich den Entstehungsprozess vorstellen?

Die meist in zwei Hälften geteilten Formen bestanden aus Holz und wurden nach dem fertigen Aufblasen des Glases geöffnet. Bei rotationssymmetrischen Formen konnte der Glasbläser mit Hilfe der vorher gewässerten Holzform das Teil dauernd drehen, so dass das Glas möglichst rund und glatt wurde.

Aber nun konkret zu den wunderbaren Kunstpressglasgegenständen aus der Sammlung von Eduard Stopfer: Verena war ganz begeistert von dem grüner Deckel, der sichtlich das passende Gefäß suchte…  –  dazu gibt es eine nette persönliche Anekdote : der Sammler Herr Stopfer hat den Deckel 2009 bei mir gekauft und hat dann später ein Gefäß gefunden, das zu dem Deckel perfekt passte.

Heinrich Hoffmann, Henry G. Schlevogt u.a. waren in den 1930er Jahren die großen Auftraggeber und Entwerfer, die nach ihren Vorstellungen Pressglasgegenstände gezeichnet haben. Riedel hat den Rohguss produziert, dieser wurde dann  künstlerisch händisch geschliffen und umgesetzt.

Ein weiteres Objektset war eine Toilettengarnitur, den der hohe Adel unter anderem auf dem Toilettentisch hatte. Verena war weniger angetan vom Gewicht des Ganzen.

Ein, durchaus strahlender, Kunstgegenstand war das radioaktive Pressglas, das sogenannte Annagrün. Würde man einen Geigerzähler dranhalten, gäbe es wohl einen Ausschlag. Schädlich war dies aber vor allem für die Leute, die damals daran gearbeitet haben. Man darf ja nicht vergessen, dass Radioaktivität auch in der Natur vorkommt und jeder Mensch, jedes Lebewesen der ionisierenden Strahlung zu einem gewissen Maß auf natürliche Art und Weise ausgesetzt ist.

Hingezogen hat es Verena dann zur Tabakdose, die Birnenholz als Unterfütterung hatte und mit Smaragdglas ausgestattet war. Die besondere und absolut patentreife Technik, die man anwenden musste, um es aufzumachen, hatte Verena natürlich sofort durchschaut.

Das besondere am Pressglas sind nicht nur die verschiedenen Farben, sondern auch welche Vielfalt an Materialien es imitieren kann.

Wenn man es angreift, glaubt man gar nicht, dass es Glas ist – so fest gearbeitet ist es. Man denkt im ersten Moment, es wäre Elfenbein oder Marmor, so wunderschön verarbeitet sind diese Kunstgegenstände aus Pressglas.

Ein zeithistorisch spannendes Originalstück, nach dem Entwurf von Michael Powolny, ein Relief für das damalige Dianabad, hatte ich auch mit. Basierend auf dem Entwurf wurde ein Zerstäuber aus Lapisglas hergestellt.

(Wienwiki weiß dazu: Aus Powolnys Firma kamen die Majolika Kacheln für das Kabarett Fledermaus, Öfen und figurale Keramiken für das Dianabad und Wiener Kinderheime sowie Ausstattungen für die Villa Skywa und das Brüsseler Palais Stoclet. Powolny gehörte zum Freundeskreis von Josef Hoffmann und dem “harten Kern” der Wiener Werkstätte).

Das wertvollste Objekt war ein Korallglas im Wert von 700 Euro, basierend auf einem Entwurf einer Pompeji Tanzszene (durch den Vulkanausbruch wurde damals fast das gesamte ansässige Leben vernichtet aber die Kultur für die Ewigkeit erhalten).

Ein, relativ unbehandeltes, Rohglas ohne Schleifung liegt bei einem Wert von ungefähr 150 Euro.

Danke für die Leihgabe an den Sammler Eduard Stopfer!