Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Street Art
Montag, 15.03.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF
Thema diesmal: Street Art in Bezug auf Konflikte und Krieg
In meinem Sendungsbeitrag im Studio2 auf ORF am 15.3 habe ich über Street Art gesprochen. BREAKING NEWS Thema war das Anprangern des Krieges in der Ukraine durch Street Art Künstler:innen, so wie in der Ukraine selbst als auch in Russland, aber darüber hinaus natürlich auch auf internationaler Ebene – abseits der beiden Konfliktparteien.
Ich hatte Werke von Christian Eisenberger (Ö) und Dan Witz (USA) aus meiner eigenen Kunstsammlung mit, sowie Arbeiten von Shepard Fairey (USA), Teddy Eigelb/Exithamster (internationaler Erdenbürger, ursprünglich Ö), Vasilena Gankovska (Bulgarien, lebt und arbeitet in Wien), Faith47(Südafrika), FAILE(USA), Robbie Conal(USA), Emily Evans (UK), El Pez(Spanien), Zosen (Argentinien/lebt und arbeitet in Spanien) aus THE BATZ COLLECTION von Katrin-Sophie Batz, darüber hinaus ein Kunstwerk des österreichisch-französischen Künstlers und Wiener Szenegröße Olivier Hölzl (Leihgabe des Künstlers) und eine Grafik von BOICUT/Herausgeber Atelier Olschinsky (Leihgabe von Jakob Stiedl/Frontmann von Prohaska – die Band mit).
Das eingeblendete Mural auf dem über 150 Jahre alten Ankerbrot Getreidesilo im 10.Bezirk von Shepard Fairey wurde von dem Fotografen Sandro E.E. Zanzinger abgelichtet .
Danke schon gleich am Anfang meines Blogposts allen wunderbaren Künstler:innen & Leihgebern!
Doch warum geht es eigentlich bei Street Art?
Der eigentliche Wert der Street Art bzw. Murals ist die Aufwertung eines Viertels, die Verschönerung einer Stadt oder das Aufzeigen von sozialen Ungleichheiten oder gesellschaftlichen Missständen – es ist ein Geschenk an die Stadt, das Viertel, die Bewohner:innen und Besucher:innen dieser Stadt. Die Kunstwerke sollen zu einer sozialen, intellektuellen, politischen Auseinandersetzung mit bestimmten Themen führen – und dies mithilfe von ästhetischer Bildsprache. Teil dieser Bewegung gewesen zu sein, spiegelt sich auch in THE BATZ COLLECTION und teilweise auch in meiner eigenen Sammlung wieder.
Katrin-Sophie Batz/THE BATZ COLLECTION hat das Street Art Festival Cash, Cans & Candy in 2013, 2014 und 2016 kuratiert. Ich habe bei dem Festival die Dan Witz Arbeit erstanden. Das Christian Eisenberger Werk habe ich selbst “erjagt” – damals hat Eisenberger 999 Kartonwerke in ganz Wien verteilt und ich habe eines davon ergattert. Dieses Kunstwerk oder “found art” Stück ist heute einen fünfstelligen Eurobetrag wert.
Unterschied Graffiti und Street Art
In der Sendung haben wir nur Street Art Kunstwerke gezeigt. Graffiti Writers arbeiten weniger kommerziell und sind mehr auf den Fame in ihrer Subkultur fokussiert, in der breiten Öffentlichkeit genießen sie ihre Anonymität, um sich mit keinen legalen Konsequenzen auseinandersetzen zu müssen.
Wien als Street Art Hotspot
Wien ist mittlerweile auch ein beliebter Spot für nationale und internationale Street Art Künstler. Das BLK River Festival hat den Weg geebnet für Pioniere wie die Inoperable Gallery bis zum Cash, Cans & Candy Festival bis hin zum aktuellen Platzhirschen Calle Libre Festival.
Am Donaukanal kann man sich ohne Probleme auf der Wiener Wand verewigen aber auch auf dem Rest des Kanals wird Street Art und Graffiti nicht mehr als Vandalismus gesehen, sondern ist Teil der Verschönerung der Stadt.
Ein paar Zeilen zu den Künstler:innen
Der über 60 Jahre alte Dan Witz aus NYC (Street Art ist nicht nur eine Jugendbewegung, mittlerweile sind die Pioniere nicht mehr am Leben oder eben zwischen 60 bis 80 Jahre alt) thematisiert (in Kollaboration mit Amnesty International) in dem von mir mitgebrachten Bild das Schicksal von acht Menschenrechtsaktivist:innen, die hinter Gittern sitzen oder verfolgt werden.
Christian Eisenbergers Aktion habe ich kurz vorher angesprochen. Seine Arbeitsweise ist geprägt von Zügellosigkeit, Arbeitslust, Tempo und Zufall. Durch stetige Repetition entstehen ständig neue Serien. Bei aller Abstraktion bleibt der Mensch ein immer wiederkehrendes Motiv. Auch er thematisiert in seinem Werk ein Konfliktthema und zeigt Terroristen wie Osama Bin Laden oder auch Che Guevara, der natürlich von vielen auch bis heute als Held gefeiert wird. Shepard Fairey aus LA/USA ist neben BANKSY (UK) und RETNA (LA/USA) einer der bekanntesten Vertreter der internationalen Street Art. Weltweit berühmt gemacht hat ihn 2008 ein Poster von Barack Obama, das den damaligen Präsidentschaftskandidaten im typischen Schablonen-Stil (Stencil Style) zeigt, nachdenklich, aber unbeugsam, in den US-Nationalfarben. Unter dem Porträt stand das Wort “Hope” (oder auch “Change”). Ich hatte eine unterschriebene Einladungskarte, Katrin-Sophie Batz gewidmet, mit, so wie ein Foto seines Murals von Exithamster (viele Street Art Fotografen sind selbst angesehene Künstler wie die US-amerikanische Szenegröße Martha Cooper), so wie zwei Grafiken, wobei eine davon den Getreidesilo im 10. Bezirk und das Mural Commanda zeigt (seine Frau heißt Amanda, go figure!), die andere hat seine typische Mandala Bildsprache und Andre The Giant als Symbol.
Er kreierte anlässlich des Ukraine Krieges ein NFT, wobei der gesamte Gewinn an NGOs gehen soll, die in der Ukraine helfen.
Die Arbeit des österreichisch- französischen Künstler Olivier Hölzl ist auch passend zur aktuellen Thematik. Mit Stencils auf Papier mit Spraypaint aufgetragen zeigt es einen Soldatenfriedhof. Normalerweise sind figurale Elemente Thema des Künstlers, hier sind auch Menschen abgebildet, nur unter der Erde. Dieses Gefühl von Uniformität und Tristesse trifft den heutigen Zeitgeist.
Und- es gibt ja nicht nur Street Art Künstler, sondern auch Street Art Künstlerinnen, ganz wichtig, diese auch vor den Vorhang zu holen. Faith47 und Vasilena Gankovska haben mit ihren fragilen Arbeiten (Faith47 mit einer berührenden Zeichnung und Vasilena Gankovska mit einer spannenden Keramikarbeit) poetische Töne getroffen. Bei Faith47 gibt es eine Sehnsucht nach einer tieferen Verbindung zur Natur, den Tieren und einer Auferstehung des göttlichen Weiblichen. Es gibt auch die aktive Untersuchung und Hinterfragung des menschlichen Zustands, seiner abweichenden Geschichte und unserer eigenen inhärenten existentiellen Suche. All dies trägt dazu bei, dass ihre Erzählungen Ebbe und Flut zwischen Schmerz und Kontemplation durchdringen und uns anflehen, unseren Platz in der Welt zu hinterfragen. Wäre die Welt eine bessere, wenn wir uns mehr auf unsere Beziehung zur Natur konzentrieren würden? Vasilena Gankovska thematisiert in dieser Arbeit – gebrochene dann gekittete Keramik (deshalb “fragile”) hinter Plexiglas die Fragilität der Kunst, des Kunstmarktes, des Künstler Daseins und der Gesellschaft an sich. Die Arbeit stammt aus einer ganzen Serie in der es sogar eine Tattoo Edition gibt. Mehrere Besucher des Cash, Cans & Candy Festivals haben sich dieses permanent auf z.B. Nacken, Knöchel, Handgelenk, Rücken tätowieren lassen. Es geht natürlich auch um die Absurdität von manchen Kunstwerken siehe Duchamp oder wie der Künstler Maurizio Cattelan eine Banane an die Wand auf der Art Basel Miami getaped hat und es KUNST für 120.000 USD genannt hat.
Street Art: Von der Subkultur zum Mainstream
Was einst in Philly oder New York City vor allem in der Bronx und Brooklyn in der Subkultur außerhalb oder am Rande der Legalität als provokante Meinungsäußerung im öffentlichen Raum begann, zeigt sich heute in renommierten Galerien, Auktionshäusern, Messen und Museen auf der Welt. Das Spotlight, das Street Art Künstler scheuten ist mittlerweile zum MUST DO geworden. Darüber hinaus erzielt Street Art unglaubliche Preise auf den verschiedenen Verkaufsplattformen . Die meisten Künstler:innen in diesem Bereich suchen jedoch trotzdem den Bezug zur Straße. Während Cash, Cans & Candy 2013 wurde der Silo der Ankerbrotfabrik von Shepard Fairey, Faith47 und dem New Yorker Künstlerduo FAILE großflächig bemalt. Am Tel Aviv Beach des Donaukanals schuf Alexis Díaz ein wunderbares Mural (eines Donaufisches, der Künstler aus Puerto Rico recherchiert immer die lokale Flora, Fauna und Tierwelt und thematisiert diese dann in seinen Wandmalereien). Sogar die Fassade des ehrwürdigen Theresianums bemalte er (diesmal kam ein Rabe zum Zug), neben vielen anderen nationalen wie nationalen Größen und vielen weiteren Murals, viele die heute auch noch erhalten sind.
Kurze Bemerkung zu den Wertigkeiten – es ist wirklich für jede/n etwas dabei – von Grafiken, die bei manchmal sogar erst 50 Euro beginnen bis hin zu wahnsinnig hohen Summen, wie beispielsweise Banksys letztes Auktionsergebnis von über 25 Millionen US Dollar.
Der berühmteste und teuerste Street Artist aller Zeiten, Banksy, thematisiert Konflikte, Kriege, Umweltthemen, soziale Imbalance in seinen Arbeiten im Außen- und Innenbereich – immer am Puls der Zeit, immer mit dem Finger in der sprichwörtlichen Wunde. Banksy Ein Beispiel: Banksy ein bereits existierendes Bild aufgenommen – in diesem Fall ein ikonisches Foto aus Vietnam im Jahr 1972, von einem Mädchen – Kim Phuc –, das vor einem Napalm-Angriff auf ihr Dorf flieht. Das Originalfoto mit rennenden und weinenden Kindern wurde von Nick Ut aufgenommen und hat sich zu einer Kurzform für die Gräueltaten des Krieges entwickelt. Banksy hat das Bild des Mädchens isoliert und mit Micky Maus und Ronald McDonald flankiert – zwei familienfreundliche Gesichter des amerikanischen Kapitalismus. Der Künstler, der dafür bekannt ist, militärische Konflikte zu thematisieren, sagte: „Die größten Verbrechen der Welt werden nicht von Menschen begangen, die gegen die Regeln verstoßen, sondern von Menschen, die sich an die Regeln halten. Es sind Menschen, die Befehle befolgen, die Bomben abwerfen und Dörfer massakrieren.“
Street Art hat sowohl eine vergängliche Qualität als auch eine dauerhafte Kraft vor allem als Zeichen für Hoffnung in Zeichen von Konflikten und Kriegen. Viele Street Artists beschäftigen sich mit ernsthaften sozialen Problemen – von sozialen Ungleichheiten bis hin zu militärischen Konflikten und beziehen Stellung.
Nun zur aktuellen Situation in der Ukraine
Während der Krieg in der Ukraine andauert, nutzen immer mehr Künstler ihre Kreativität, um zum Frieden aufzurufen. Dazu gehören Straßenkünstler, die ihre Standpunkte öffentlich machen, indem sie ihre Antikriegsbotschaften für alle sichtbar an Wänden anbringen. Viele dieser Künstler haben direkte Erfahrungen mit dem Malen in der Ukraine. Kiew ist besonders reich an Wandgemälden, von denen seit 2014 über 160 gemalt wurden. Viele der Straßenkünstler, die dort Zeit mit Malen verbracht und sich mit der lokalen Gemeinschaft beschäftigt haben, machen bekannt, dass sie gegen den Angriffskrieg sind und versehen ihre Murals und Social Media Posts mit dem Hashtag “#standwithukraine”.
Ein Mural, das mir bei der Recherche zum Street Art Thema besonders ins Auge gestochen ist und mich zutiefst berührt hat: Der französische Künstler Seth Globepainter schuf ein Mural, das von den Kindern inspiriert sei, die er beim Malen im Donbass getroffen habe. In seinem Stück schwenkt ein junges Mädchen mit Blumenkrone stolz die ukrainische Flagge, während es auf russische Panzer tritt. Er hat das Stück auch einem ukrainischen Freund gewidmet, der sich noch in Kiew aufhält.
Aber ich will den Mut der russischen Bevölkerung an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Auch wenn dies eher jetzt in die Kategorie revoltierende Street Performance fällt und nicht direkt der Street Art zuzuordnen ist – eine junge Frau hat in Moskau ein Schild hochgehalten auf dem Stand “Zwei Worte” (statt “Kein Krieg”, da dies ja der Zensur zum Opfer gefallen ist) – aber selbst sie wurde kurzerhand von der russischen Riot Police mitgenommen. Sich gegen ein totalitäres Regime in diesen Zeiten zur Wehr setzen, obwohl die Konsequenzen mehr als trist sind, wie wir ja schon von den Pussy Riots wissen, diesen Menschen gebührt mein tiefster Respekt, so wie der gesamten ukrainischen Bevölkerung. Ein weiterer Aktionismus Stunt fand am Tag der Sendung im russischen Nationalfernsehen statt. Marina Ovsyannikova, eine Mitarbeiterin des Perwy Kanals (der wichtigste russische Sender und ein integraler Teil für die Kreml Propaganda Maschine), die ihre Protestaktion zuvor in sozialen Netzwerken angekündigt hat, wie der Kurier berichtet. “Das, was in der Ukraine passiert, ist ein Verbrechen, sagt sie in einem Video. “Und die Verantwortung für diese Aktion liegt allein bei Wladimir Putin.” Weiter sagt sie: “Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter ist Russin, und sie waren niemals Feinde. beschäftigt. (Hier der Link zum Kurier Artikel. Hier auch ein guter Der Standard Artikel).
Wie eine derzeit oft verwendete journalistische Weisheit besagt “Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst”, möchte ich dagegen halten „Aber die Hoffnung stirbt zuletzt“!