Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Historische Reiseführer
Montag, 25.1.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF
Thema diesmal: Historische Reiseführer
Wenn der Wahnsinn vorbei ist,steht Urlaub machen ganz oben auf der Prioritätenliste aller Österreicher:innen, bis dahin bleibt es uns in historischen Reiseführern zu schmökern.
1793 erschien der erster Reiseführer für die Schweiz. Also im Grunde gibt es historische Reiseführer schon gefühlt ewig.
Beginn der Reisetätigkeit um zu Reisen: Ab Mitte des 17. Jahrhunderts sind junge, wohlhabende Absolventen der Universitäten Oxford und Cambridge auf Reisen gegangen – Reisen durch das Mittelmeer – Ziel dieser Expeditionen waren die Wurzeln der europäischen Kultur durch Kunst, Literatur und Archäologie zu entdecken. “Grand Tours”, wie sie genannt wurden, waren bald sowohl pädagogische als auch soziale Übergangsriten des Adels.
Für einen beliebigen Zeitraum von Monaten bis Jahren sind jene Touristen mit einer Kohorte von Reiseführern und Begleitern durch Länder wie Deutschland, die Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien, Ägypten und die Heiligen Länder gereist.
Großes Reisebudget und aristokratischen Verbindungen machen privilegierte Reisende. Ziel war es die Sprachkenntnisse zu perfektionieren, antike Ruinen zu besuchen, sich mit lokalen Künstlern und Händlern treffen, um Münzen, Skulpturen, Gemälde und Modelle zu sammeln.
Nach den Grand Tours für Adelige als Bildungsreisen folgten die wohlhabenden Bürger. Es begann auch der Urlaub im Ausland für die nicht adelige Gesellschaft. Dies waren ebenfalls Luxusreisen, mit dem Dampfer nach Ägypten oder mit dem Orientexpress nach Istanbul. Passend dazu das Gepäck – Schrankkoffer, Hutschachteln. Man wollte auf eigene Faust erkunden – nicht mit einer Reisegruppe oder einem Guide. Somit benötigte man selbst Literatur, Karten, Informationen.
Ich hatte einen wunderbaren Baedeker mit, mit dem typischen roten Umschlag, aus 1883. Zur Zeit des Zars Alexander III, der Friedenszar und ein guter Freund von Kaiser Franz Josef, war es opportun nach Russland zu reisen. Da war auch schon ein kleiner Sprachführer dabei. Deutsch und Französisch waren die Hauptsprachen des Adels, der Diplomaten und des gehobenen Bürgertums aber fernab dieser Gesellschaftsschichten und vor allem am Land war es hilfreich ein paar Sätze auf Russisch sagen zu können. Wie heute ja auch.
Als Baedeker wird ein Reiseführer für Reiseziele im In- und Ausland bezeichnet und ist erstmals 1832 erschienen. Der Verlag wurde 1827 gegründet in Koblenz durch Karl Baedeker.
Dieser wurde im 19. Jahrhundert der Reiseführer schlechthin durch seine prägnante Sprache, genaue Reiseinformationen, großzügige Karten, und integrierte auch Sprachführer(die wichtigsten Phrasen zur Kommunikation). Dies war ein früher Beginn für fremdsprachige Ausgaben und somit weltweite Popularität.
Dieser besondere Baedeker kommt auf ungefähr 500 Euro Wertigkeit.
Etwas ganz Besonderes war auch die Publikation, die sämtliche Abschnitte der Donau von Wien nach Linz, Burg Kreuzenstein, Klosterneuburg, Dürnstein, Wachau dargestellt hat und ganz wichtig: auch welcher Heuriger, welche Lokale, Restaurants besucht werden sollten. Ein großes Reich war es damals noch – da waren die Touristen sehr vielfältiger Herkunft wie Galizien, Böhmen, Mähren – dies waren dann die Reisenden innerhalb der Österreischisch-Ungarischen Monarchie.
Die Preisspanne, die ich heute mitgebracht hatte ging von 90 bis 8000 Euro.
Das teuerste und wertvollste Objekt mit Geschichte, das ich mitgebracht hatte, war eine wunderschön grafisch aufbereitete Publikation der Schiffsgesellschaft Österreichische Lloyd, über Dalmatien und Istrien, sämtliche Küstenabschnitte in Falttechnik, inklusive aller Inseln wie Hvar und Korcula Der Preis von 8000 Euro erklärt sich dadurch, dass diese Publikation im Handel nicht erhältlich war, und wahrscheinlich nur für die Kapitäne und Aktionäre bestimmt war.
Heutzutage haben die Reiseführer eher keine große Wertigkeit mehr, da sie in großer Auflage erschienen – außer es ändert sich geopolitisch etwas, dadurch bekommen sie dann eventuell einen Sonderstatus.
Historische Reiseführer sind somit eine gute Wertanlage, wie eine Aktie im Grunde. Haben die Großeltern eine schöne Bibliothek, dann muss man sie unbedingt nach solchen Schätzen durchforsten – nicht nur wegen der Wertigkeit, sondern vor allem weil es eine Reise in eine andere Welt und vor allem Zeit ist.
Dank gilt wie immer an unsere Leihgeber:innen – diesmal war es der wunderbare Erhard Löcker, vom Antiquariat in der Annagasse in 1010 Wien.