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Studio 2 – Experte Christof Stein spricht über: Puppentheater 

Montag, 28.02.2022, ab 17:30 Uhr, Studio2//ORF

Thema diesmal: Kasperl & Co.

Als ich mich mit dem aktuellen Sendungsthema “Puppenfiguren und Kasperl”  beschäftigt hatte, stand der Faschingsmontag und Faschingsdienstag im Fokus.

Aufgrund der aktuellen Lage ist wohl jede Form von Fröhlichkeit unangebracht (außer für Kinder natürlich!) und daher wendete ich mich dann in der Sendung einem Teilsegment zu, welches sehr selten beleuchtet wird.

In vielen Kriegen hatte das Puppenspiel eine ganz wichtige Funktion: Propaganda und Motivation der Soldaten/des Volkes. Das Puppenspiel war seit seinen Anfängen in der Antike eigentlich immer für ein erwachsenes Publikum gedacht. Dies änderte sich mit der Zeit, wie wir wissen, aber dazu erst später.

Bevor wir uns jedoch der brandaktuellen Thematik Krieg und dessen Verbindung mit dem Puppentheater widmen, möchte ich vorab noch einen kurzen historischen Abriss darstellen:

Eine Ersterwähnung des Handpuppenspiels gab es in Frankreich im Jahr 1211. 1340 gab es die erste Notiz über eine Bezahlung eines Handpuppenspielers. Durch fahrende Spielleute fand diese Art von Theater seine Verbreitung. In der Renaissance stand mechanisches Theater im Fokus so wie die Animation von Figuren in Kästen beziehungsweise Vitrinen, ab 1510 wurden hauptsächlich religiöse Stoffe gespielt wie die Passion Christi oder die biblische Weihnachtsgeschichte. Ab 1666 gibt Pietro Agismondi (heutiges Italien) Vorstellungen in Deutschland. 1708 gibt es in Wien den Marionettenprinzipal Joseph Anton Stranitzky, der dem Publikum den Charakter “Hans Wurst” vorstellte, aus dem sich später dann der Kasperl entwickelte. Später kam dann der Versuch das Theater ortsansässig zu machen und keine Wandertheater mehr zu unterstützen. Zu dieser Zeit gilt das Puppenspiel als das „Theater der unteren Volksklassen“. In der Romantik schreiben namhafte Autoren Stücke für das Puppentheater, wodurch es eine gesellschaftliche Aufwertung erfährt. Das Schattenspiel findet ab 1780 seinen Weg über Italien nach Deutschland und Puppenspiele avancieren zum Entertainment der Oberschicht, mit der Ausnahme des Automatentheater.

Dann folgt jedoch im 19. Jahrhundert eine Zensur der professionellen Marionettenbühnen: Improvisation wird unter Strafe gestellt, das Repertoire wird reduziert, es soll keine anstößigen Stellen mehr geben, das Marionettenspiel verliert politisch-oppositionellen kritischen Charakter. Aber gottseidank gibt es zumindest eine Existenzsicherung durch lebenslang erteilte Lizenzen.

Nun noch zur Hauptfigur Kasper: Entwickelt vom neapoletanischen Pulcinella, deshalb auch die übergroße Nase. Der Kasperl trägt üblicherweise eine rote Zipfelmütze, ein Harlekin Kleid und hatte immer ein Züchtigungsinstrument – eine Klatsche – bei sich. In vielen Ländern gab oder gibt es vergleichbare Figuren:Mr. Punch (England), Guignol (Frankreich), Jan Klaassen (Niederlande),Mester Jakel (Dänemark), Fasulis (Griechenland) und Petruschka (Russland – mit Pfeife) u.v.a.

Zurück zu meinem Studio2 Sendungsbeitrag: Ich hatte auch verschiedene Puppen aus dem asiatischen Raum mit. Martin merkte an, dass diese schon auf den ersten Blick teuer aussehen. Um 1920, Holz geschnitzt, Charakterköpfe, bei einer Wertigkeit um 2000 Euro, ich hatte auch Puppen aus Burma und dem Balinesisch-Indonesischem Bereich mit, so wie Puppen aus dem Schattenspielsegment. 

Kurze Bemerkung am Rande: Marionette heißt übrigens der kleine Mensch. Einfach großartig, oder?

Die beiden Puppen Spejbl und Hurvínek (aus Tschechien) die philosophisch das Leben erklären, habe ich mir, wie auch die anderen Puppen, vom HE-LO Theater und Puppenmuseum ausgeborgt, die über Generationen das Publikum in Korneuburg begeistert haben und nun nach jemandem suchen, der das Museum betreiben möchte. Kern der meisten Spejbl und Hurvínek Stücke sind die Dialoge zwischen dem Vater Spejbl, der oft von sich und seinem Wissen sehr überzeugt ist, und Sohn Hurvínek, der das Können des Vaters infrage stellt.. Die Stücke sind eine Mischung aus groteskem Humor und Alltagssatire. Spejbl und Hurvínek wurden vom Prager Marionettentheater Spejbl und Hurvínek weltweit in 31 Ländern und insgesamt 21 Sprachen aufgeführt.

Nun zurück zum ursprünglichen Link zwischen Krieg und dem Puppentheater, aus dem leider sehr traurigen Anlass:

Öffentlich wichtig für Kriegspropaganda: bereits um 1900 traten im deutsch-österreichischen Raum immer mehr franzosenfeindliche Kasperltheaterstücke auf, welche ihren geschichtspolitischen Ursprung in den politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich, vor allem um das Elsass-Gebiet im 19. Jahrhundert hatten. 

Sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg waren an der Front Puppenbühnen und Puppenspieler Teil des Geschehens. Die Nationalsozialisten haben die jüdischen Puppentheater geschlossen und somit eine weitere Zensur geschaffen. Das nationales Puppentheater hingegen wird sehr gefördert, um die NS-Propaganda auch im Puppenspiel zu verbreiten, zum Einsatz kam dies auch an der Front.

Kinder werden erst Mitte des 19. Jahrhunderts auch als Publikum entdeckt, bis dahin waren immer nur Erwachsene das Zielpublikum. Das Puppenspiel war Teil der pädagogischen Vermittlung und Inhalte. Kasper lebt in einer Welt in der gute Taten belohnt werden und schlechte leicht bestraft werden. Das künstlerisches Handpuppenspiel bekommt neue Plattformen: Radio, Schulen, Kindergärten, Verbände, sozialpädagogische Einrichtungen, Film. Kasperl & Pezi  wird im ORF seit 1957 regelmäßig ausgestrahlt und ist somit die älteste Fernseh-Kasperl-Puppenbühne.

Die Puppen, die unter die Kategorie “gut” fallen sind Petzi, Großmutter und Gretel und “böse” sind wohl die Hexe, der Räuber und das Krokodil. Diese beiden Kategorien werden einander immer gegenübergestellt – Kasperl hat in Wirklichkeit von beiden Kategorien etwas, wie eben ein ganz normaler Durchschnittsmensch. 

Abschließend ist zu sagen: Sammler:innen von Bühnenpuppen gibt es auf der ganzen Welt. In Österreich zählt André Heller zu den größten Fans des Puppenspiels und ist Besitzer der Urania Puppenbühne.

Ich hatte natürlich auch eine Krokodilhandpuppe (das Krokodil als Ersatzdrache) mit. Wer im aktuellen Konflikt für das Krokodil steht, liegt wohl auf der „Hand“ und kann sich jede/r selbst beantworten…

Vielen Dank an die Leihgeber Hermann Gottfried und Lorli Kaufmann vom HE-LO Puppentheater Museum in Korneuburg!